: Einmal Knast und zurück
■ Das Schlimmste ist die Wohnungsnot
„Derzeit werden dringend zwei- bis dreihundert Wohnungen gebraucht“, drängt Elke Bahl, Geschäftsführerin der Bremischen Straffälligenbetreuung. Die Probleme, die der neue Jahresbericht des Vereins anmahnt, sind dieselben wie 1993: Der Mangel an Wohnungen und Arbeitsplätzen für aus der Haft entlassene Menschen hat sich gegenüber dem Vorjahr sogar noch zugespitzt.
Die „Straffälligenbetreuung“, eingebunden in die „Zentralstelle für Straffälligenhilfe“, bietet seit über 155 Jahren straffällig gewordenen Menschen ambulante Hilfen an. Die Angebote liegen in der sozialen und persönlichen Hilfe, der Wohnraumversorgung und Schuldnerberatung. Schon die Vorbereitung zur Haftentlassung wirft meist unlösbare Probleme auf, denn das Gros der Straffälligen verliert während der Haftzeit die Wohnung.
1993 suchten 1875 Menschen Rat bei der Straffälligenhilfe. Davon leben 81% in ungesicherten Wohnverhältnissen, unter freiem Himmel, bei Freunden, in Billigpensionen oder Hotels, für die das Sozialamt bis zu 80 Mark täglich bezahlt. „Die Entspannung auf dem Wohnungsmarkt hat sich auf unser Klientel nicht ausgewirkt“, konstatiert Elke Bahl und macht dafür primär die Kommune verantwortlich, die nicht ausreichend sozialen Wohnraum zur Verfügung stellt.
Verschärft wird das Problem durch die wirtschaftliche Situation der Ex-Häftlinge. 35% der Ratsuchenden beziehen Sozialhilfe, 65% erhalten Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, die jedoch nur selten über dem Sozialhilfeniveau liegen. Die Mieten auf dem Wohnungsmarkt dagegen übersteigen längst die vom Sozialamt bewilligten Maximalkosten. Gleichzeitig ist im Berichtszeitraum ein deutlicher Rückgang bei den Arbeitsvermittlungen feststellbar. Das liegt an der Mitteldrosselung für Beschäftigungsinitiativen und im ABM-Bereich, ist aber „hauptsächlich in der schlechten Wohnraumversorgung und den zunehmenden Suchtproblemen begründet.“ Ein Kreislauf mit System, der individuell kaum zu durchbrechen ist. Umso wichtiger sind Einrichtungen wie die „Straffälligenhilfe“, die allerdings ebenfalls unter Geldmangel leidet, seitdem die Bußgeldzuweisungen im vergangenen Jahr um über 50 Prozent gesunken sind. dah
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