Sanssouci: Vorschlag
■ Heute beginnt das siebte „Tanz im August“-Festival
Von wegen Sommerloch! Wenn die Theater ihre Pforten schließen und – wie es die Drapierung des Lieblingstheaters Volksbühne nahelegt – Schauspieler, Dramaturgen und Intendanten in einen blauen Himmel mit weißen Wolken entschweben, dann ist Festivalzeit. Das gilt nicht nur für Bayreuth, Salzburg und Bad Segeberg, sondern seit einigen Jahren auch für Berlin. Zum siebten Mal präsentieren das Hebbel-Theater und die TanzWerkstatt mit „Tanz im August“ das Tanzfestival der Stadt. Elf Gruppen und Solotänzer sind es in diesem Jahr, die einen Einblick bieten in die neuen und weniger neuen Entwicklungen des internationalen zeitgenössischen Tanzes. Und weil das Programm damit qualitativ und quantitativ überquillt, beginnt man heute und endet erst am 3. September – mit einer theoretischen Reflexion über das, was mit den Körpern auf der Bühne so alles vor sich geht. Zu dem Symposium „Der Körper als Ikone“ haben der FU-Soziologe Dietmar Kamper und der Tanzpublizist Johannes Odenthal so hochkarätige Gäste wie Paul Virilio, William Forsythe und Jan Fabre eingeladen. Doch zuerst kommt die Kunst, und das über die ganze Stadt verteilt: Hebbel-Theater, Theater am Halleschen Ufer, Podewil und Künstlerhaus Bethanien sind die Spielorte, Klimaanlage ist nicht immer garantiert.
Aber ob airconditioniert oder schweißgebadet, für einige Aufregung wird mit Sicherheit der Choreograph Michael Clark, das Enfant terrible der britischen Tanzszene, sorgen. Wegen Drogen und anderen Kleinigkeiten von der Royal Ballett School geflogen, hält er (nicht nur) die britische Tanzszene seit einigen Jahren in Atem. Seine Version von Strawinskys „Apollon“, kurz und knapp „O“ benannt, hat die britische Presse geradezu hymnisch gefeiert. Eine weitere Strawinsky-Interpretation zeigt die Kanadierin Marie Chouinard. Sie hat sich „Le Sacre du Printemps“ vorgenommen und dem Klassiker durch die Erforschung des Synchronismus-Phänomens neue Seiten abgewonnen. Machtansprüche, Mißtrauen und Zerstörung von Persönlichkeit sind die depressiven Stichworte, mit denen die Choreographin Susanne Linke mit „Märkische Landschaft“ deutsche Befindlichkeit reflektiert. Yolande Snaith führt eine ganze Enzyklopädie menschlichen Verhaltens vor, und die irische Daghda Dance Company soll mit ihrer Mischung aus irischer Tanztradition und Postmoderne schon beim Londoner „Spring Collection“-Festival den britischen Kollegen die Show gestohlen haben.
Auch die beiden Berliner Gruppen sollte man nicht übersehen: Heute und morgen zeigt Rudie Ewals noch einmal ihre „Beobachtungen aus dem Handgelenk“, und Mitte August kommen die „Hymnen“ der Gruppe Rubato zur Uraufführung. „Tanz im August“: Derzeit einer der wenigen Gründe, das überfüllte Freibad zu verlassen. Michaela Schlagenwerth
Informationen zu allen Aufführungen sind über die TanzWerkstatt zu beziehen, Klosterstraße 68-70, Mitte, Tel.: 247 49 756
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