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400 Tonnen deutscher Giftmüll lagern in Bolivien

■ Metallgesellschaft weist Verantwortung für unsachgemäße Lagerung zurück

Bonn (ips/taz) – In der bolivianischen Ortschaft Patacamaya nahe Oruro lagern seit dem 17. Juni über 400 Tonnen giftigen Antimonkonzentrats. Die Anwohner, vor allem Kinder, klagen seit Wochen über Kopfschmerzen, Hautreizungen, Übelkeit und Erbrechen. Die Ärzte haben nach Auskunft von Terre des hommes bei mindestens 50 Personen inzwischen Metallvergiftungen festgestellt. Die Betroffenen hatten Staub und Gase aus den defekten Transportbehältern eingeatmet.

Antimon ist ein silberweißes, metallisches Element, das zur Härtung in Blei- und Zinnlegierungen eingesetzt wird. Viele Antimonsalze sind fast so giftig wie Arsenverbindungen. Analysen des Materials in Bolivien hatten einen Arsengehalt von 0,71 Prozent und eine hohe, aber noch nicht näher bestimmte Radioaktivität ergeben.

Die brisante Fracht stammt wieder einmal aus Deutschland. Der Absender: Die Frankfurter Metallgesellschaft, die im Frühjahr haarscharf am Konkurs vorbeischrammte. Nachdem das Unternehmen vor wenigen Tagen zugegeben hatte, etwa 430 Tonnen Antimon-Konzentrat nach Bolivien exportiert zu haben, weist sie nun jede Verantwortung für den Umgang der bolivianischen Käufer mit dem Gift zurück. Firmensprecher Volker Siegert beharrte darauf, daß es sich bei dem an die bolivianische Firma Eulamin verkauften Antimon um „nicht giftiges“ Material handele. Für die „unsachgemäße Behandlung“ des Stoffes durch die bolivianischen Käufer könne der Konzern keine Verantwortung übernehmen. Zugleich dementierte er Berichte, ein Rückkaufangebot erhalten zu haben. „Solche Angebote sind uns weder über unabhängige Kanäle noch über unseren Vertreter in La Paz unterbreitet worden.“

Ein Pressebericht hatte Mitte des Monats die Deponierung des Giftmülls deutscher Herkunft in dem kleinen Gebirgsort Patacamaya bekanntgemacht. Zunächst bestritt die deutsche Metallgesellschaft, mit dem Fall auch nur das Geringste zu tun zu haben. Erst als der Nachrichtenagentur ips ein Dokument mit dem Briefkopf der Firma und der Geschäftsnummer 227/90/92/1500 zugespielt wurde, das den Verdacht bestätigte, änderte das Unternehmen seine Haltung. Im Dokument der Metallgesellschaft heißt es: „Wir bestätigen hiermit, daß es sich bei dem Material, das unter der obigen Vertragsnummer verschifft wurde, um Antimon-Konzentrat mit geringem Goldgehalt handelt, das für die normale Verarbeitung in Bolivien bestimmt ist. Das Material ist nicht giftig nach Maßgabe der Internationalen Seefahrtsorganisation IMO.“

Nach Angaben von Siegert erwarb die Metallgesellschaft das Material von der tschechischen Firma Metalimex International. Die Fracht verließ Antwerpen im Dezember 1992 mit der MS San Andres Richtung Bolivien, wo sie im Februar 1993 im chilenischen Hafen Arica entladen wurde. Was nach der Übergabe an den bolivianischen Käufer Eulamin damit geschehen sei, entziehe sich der Kenntnis der Metallgesellschaft, ließ diese verlauten, schließlich habe man von der Übergabe an keine Verfügungsgewalt mehr über die Fracht gehabt.

Doch die Connections sind enger, als manche wahrhaben wollen. Eulamin, die dem österreichischen Metallurgen Joachim Pöschl gehören soll, arbeitet eng mit der bolivianischen Bergbaugesellschaft Siguani zusammen. Diese befindet sich wiederum im Besitz eines Deutschen namens Alfons Walz aus Bad Waldsee nahe Konstanz. Auch der Siguani-Geschäftsführer ist ein Deutscher, Klaus Matzke.

Ob das Antimon noch in Patacamaya liegt, ist derzeit unklar. Am Sonntag ordnete die bolivianische Staatsanwaltschaft nach Berichten aus La Paz an, das Material umgehend fortzuschaffen. Es soll zur chilenischen Grenze gebracht und dort umgepackt werden. Was danach geschieht, ist noch offen. Nach Meinung des chilenischen Außenministeriums soll das Material über Arica nach Deutschland zurücktransportiert werden. Am Dienstag hatten die chilenischen Behörden jedoch bereits angekündigt, einen Transport nach Arica nur zuzulassen, wenn die Sicherheitsauflagen erfüllt sind.

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