piwik no script img

Das Verfassungsgericht greift ein

■ Verstößt Abschiebung eines Vaters gegen das Grundgesetz?

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe hat die Abschiebung des Türken Kerim Baran aus Hamburg vorerst gestoppt. Grund: Eine Ausweisung des Vaters verstoße vermutlich gegen den Artikel 6 des Grundgesetzes, da eine Familie auseinandergerissen würde.

Der 37jährige Kerim Baran war vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen, hatte zunächst einen Asylantrag gestellt und dann ein paar Jahre später eine deutsche Frau geheiratet. Trotzdem ließ die Ausländerbehörde nicht locker und wollte seine Bindung als „Schein-Ehe“ nicht anerkennen. Erst durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) konnte Baran ein Aufenthaltsrecht durchsetzen.

Nach sieben Jahren ist die Ehe nun zerbrochen. Baran hat die Scheidung eingereicht, hat inzwischen eine Beziehung mit der deutschen Gabriele Hower – Töchterchen Leyla ist am 9. Juni 1994 geboren. Die Scheidung hat nun die Ausländerbehörde erneut auf den Plan gerufen. Da Baran keine vier Jahre mit seiner Ex-Frau in einer Wohnung zusamengelebt habe, sei die Verbindung doch eine „Schein-Ehe“ gewesen. Und: Dieses Mal folgte auch das OVG verärgert dieser Argumentation. Motto: Der erzählt uns immer, er sei verheiratet, dabei hat er ein Verhältnis mit einer anderen Frau. Urteil: „Schein-Ehe.“ Ergebnis: Kerim Baran wurde in den Abschiebeknast Glasmoor gesteckt, sollte Donnerstag per Flugzeug in die Türkei abgeschoben werden.

Für Barans Anwalt Matthias Scheer ein Unding: „Ein Deutscher hat doch auch das Recht, sich nach einer gescheiterten Ehe einer anderen Frau zuzuwenden, dann muß das ein Ausländer auch haben.“ Scheer schaltete das BVG ein. Die Reaktion aus Karlsruhe kam prompt. Abschiebeverbot für die nächsten zwei Wochen bis zur endgüligen Entscheidung.

In einem Schreiben wurde die Ausländerbehörde angewiesen, ihre Haltung zu begründen. Hintergrund: Das BVG hatte vorigen Herbst entschieden, daß eine Abschiebung verfassungswidrig ist, wenn ein Vater von seinem deutschen Kind getrennt wird, auch wenn die eheliche Gemeinschaft nicht per Trauschein besiegelt worden ist. Der BVG-Sprecher: „Ich kann zum Ausgang des Verfahrens natürlich nichts sagen. Es wird aber von uns auf die Parallelität dieses Falles verwiesen.“

Trotz dieser Worte befindet sich Kerim Baran weiterhin im Knast. Gabriele Hower zur taz: „Weshalb schmort er weiter da vor sich hin?“ Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal: „Uns liegt das BVG-Schreiben noch nicht vor. Dann werden wir es prüfen, solange muß er noch in Haft bleiben.“

Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen