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Nematoden im totem Fisch

■ Wieder Fadenwürmer in Fischstäbchen gefunden / Ökotest öffnete 16 Packungen

Kennen Sie Nematoden? Persönlich? Wenn nicht, können Sie die Bekanntschaft der possierlichen Fadenwürmer in dem ein oder anderen Fischstäbchen machen. Die Frankfurter Öko-Test Redaktion hat in ihrem jüngsten Test-Heft „panierte Fischerzeugnisse“ vulgo auch Fischstäbchen genannt, unter die Lupe genommen. Von sechzehn untersuchten Marken, hatten immerhin fünf eine Wurmbeilage. Zugegebenermaßen nur in kleinen Mengen: Pro Pfund Fertigfisch fanden die Frankfurter zwischen einem und drei Nematoden. Nach Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes sind maximal ein bis drei pro Kilo zugelassen.

Für den Menschen können die Biester nur lebend gefährlich werden. Gelangen sie in die Nahrungskette, können sie sich durch die Darmwand fressen und Entzündungen hervorrufen. Im Fischstäbchen aber sind sie tot. Die Prozedur von einfrieren, auftauen, stampfen, panieren und braten überleben diese Tiere nicht.

Die bis zu zwei Zentimeter langen Tierchen leben als Parasiten in den Bauchlappen von Fischen. Diese dienen den Nematoden als Wirtstier, um von der Larve zum Wurm zu reifen. Wird der Fisch von einem Meeressäuger gefressen, können sich die Nematoden innerhalb der Robbe oder des Delphins zu einem selbständigen Wurm entwickeln. Wie der Bandwurm im Dickdarm, lebt das Viech fortan ungestört im Säuger.

Die deutsche Fischindustrie, nebst Handelshäusern wie Rewe, Aldi oder Lidl, kauft ihren Fisch auf denselben Märkten. Es könnte daher sein, daß die in ganz unterschiedlichen Handelsmarken gefundenen Nematoden alle aus der gleichen Lieferung Fisch vom gleichen Fischerereikonzern kommen. 115.000 Tonnen panierte Fischerzeugnisse fabriziert die Fischindustrie innerhalb Deutschlands und setzt davon 35.000 Tonnen in der BRD ab. Das sind 1,2 Milliarden Fischstäbchen im Jahr. Das darin zuweilen Nematoden sind, „ist nichts Neues“ wie Dr. Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesmarktverbandes der Fischwirtschaft, bemerkt. 1987 hatte die Sendung Monitor die medienwirksamen Ekelerreger vor laufender Kamera aus den Fischstäbchen gezogen. Die Umsätze der Fischfabrikanten sackten um 80 Prozent. Für Keller ist das Frankfurter Testergebnis „kein Problem“, da ja nur tote Nematoden in den Erzeugnissen gefunden worden seien. Ansonsten freut er sich über das gute Ergebnis: Die Frankfurter bestätigen dem Großteil der Fischstäbchen eine geringe Schadstoffbelastung. Für ihn ist das mehr „ein ästhetisches Problem“.

Aufgeschreckter waren die Firmen Copack in Bremerhaven und Rewe in Köln. Copacks Geschäftsführer Schön hat gestern die Nematoden zur Chefsache erklärt und an sich gerissen, nicht mal der Pressesprecher darf was dazu sagen. In Köln will Rewe die Lieferanten zur Verantwortung ziehen, möglichst noch selbst eine Probe aus der gleichen Lieferung ziehen. Pressesprecher Schmuck ist sich jedenfalls sicher, daß „in den letzten Jahren nichts ähnliches vorgekommen ist“.

Und wenn schon. Fische sind schließlich Naturprodukte, da kann schon mal was drin leben. Wie die Würmer in Himbeeren. Aber gelten Fischstäbchen noch als Naturprodukte? fok

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