■ Standbild: Gemüse an Bord?
„Mann über Bord!“, Dienstag, 20.15 Uhr, ARD
In letzter Zeit habe Robert Maxwell, weiß dessen Vertrauter Nick Davies zu berichten, den Käpten seiner Yacht vor jeder Fahrt gefragt, ob auch genügend Gemüse an Bord sei. „Gemüse“, so der treue Nick, sei Maxwells „Code für Waffen“ gewesen. Der Mann lebte in Angst, so wird insinuiert. Und offenbar nicht ohne Grund: denn am 5. November 1991 fiel der Medienzar Robert Maxwell tot von seinem Schiff, nur wenige Wochen später brach sein Imperium zusammen, seinen beiden Söhnen, die unter den Augen der Weltöffentlichkeit vergeblich versucht hatten, den Konzern zu retten, wird im Herbst der Prozeß gemacht.
Die Story ist zur Legendenbildung wie geschaffen. Maxwell war mehr als ein Medienmogul. Seit dem Krieg, als er seine Familie in den deutschen Vernichtungslagern verlor, arbeitete er konspirativ. Seine Karriere begann beim britischen Geheimdienst, später dealte er mit Lizenzen und Copyrights, mit den Jahren bemühte er sich intensiv um die Zusammenarbeit zwischen Israel und der Sowjetunion, für Gorbatschows Wirtschaft versuchte er Devisen in Milliardenhöhe lockerzumachen. Dabei, so vermuten vor allem seine ehemaligen Moskauer Kontaktleute, sei er zwischen die Fronten geraten, oder, wie es der damalige sowjetische Ministerpräsident Pawlow formuliert, Maxwell sei „mit dem Fuß in der Weiche“ hängengeblieben.
Der Film von Christine Wilkening und Silvia Kauffeldt reitet 45 Minuten lang auf dieser These herum. Jeder greifbare Gesprächspartner Maxwells, der nur einen entfernten Verdacht loswerden will oder vielsagend betont, von nun an zu schweigen, wird als Zeuge aufgerufen. Ein ehemaliger sowjetischer KGB- Mann schreibt einen kryptischen Brief an den ehemaligen Mossad-Chef und bittet um Unterstützung für das Fernsehteam: „Der Film wird für Bobs Familie wichtig sein.“ Ehrfürchtig wiederholt die Off-Stimme den gewaltigen Satz „... wichtig sein.“ Warum die Mordthese jedoch „für Bobs Familie“ bedeutsam sein soll, erfahren wir nicht. Mit den tatsächlich wichtigen Leuten hatte das Team denn auch keinen Kontakt. Lauter Pensionäre, die ahnungsvoll monologisieren, hin und wieder von alten und unscharfen Fotos unterbrochen. Vermutungen, Spekulationen, offene Fragen. Wie hob doch der treue Nick gleich im ersten Statement so treffend hervor: „Well, well, well ...“ Achim Baum
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