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■ Der Fall Matthiesen: seines Zeichens NRW-UmweltministerEr blockt, macht lächerlich, tut nichts

Seit mindestens vier Jahren tobt der Streit ums sommerliche Ozon nun schon. Routiniert spucken inzwischen die Gesundheitsbehörden ihre Warnungen aus: Möglichst wenig Bewegung – vor allem für Kinder, Alte und Kranke. Uneingeschränkte Mobilität gilt dagegen für Autos, deren Abgase vor allem die Gesundheitsgefährdung hervorbringen. Versucht jemand, diese Realpolitik aus dem politischen Irrenhaus mit neuen Initiativen aufzubrechen, sind ihm die Beißreflexe der Politopportunisten aus allen Parteien gewiß. Das hessische Tempolimit belegt dieses jämmerliche Verhaltensmuster erneut. Nicht nur bei dem klassischen Ökoschwadronierer Töpfer und seinem als manischen Autolobbyisten sattsam bekannten Kabinettskollegen Wissmann. Kein Deut besser reagierte der Düsseldorfer Umweltminister Matthiesen (SPD) – nur trickreicher.

Kommt Matthiesen in Bedrängnis, folgt das immer gleiche Spiel: Schuld sind die in Bonn und in Brüssel – Matthiesen tut dagegen, was er kann. Um diese Botschaft zu transportieren, biegt der Mann die Fakten zurecht, wie es ihm paßt. Ganz gleich, ob es um Dioxine, Müll oder jetzt eben Ozon geht. Die Forderung von neun Umweltdezernenten aus Nordrhein-Westfalen, nach dem Muster von Hessen auch in NRW eine Ozonverordnung zu erlassen, konterte Matthiesen mit einer Ozonkonferenz. Am Ende verbreitete er dies im WDR: „Ich plädiere dafür, daß wir abwarten, daß wir eine eigene Studie ... machen, daß wir außerdem die hessischen Erfahrungen auswerten ...“. Seine Meinung, so fuhr der SPD-Mann fort, werde im übrigen auch von den kritischen Umweltdezernenten geteilt. Das Gegenteil ist richtig. Die Kritiker um den Bielefelder Wortführer Enderle „sind der Auffassung, daß solch eine Ozonverordnung nach wie vor Sinn macht“. Natürlich wissen auch sie, daß eine bundeseinheitliche Regelung – zumal mit verschärften Grenzwerten – angemessener wäre. Weil aber aus Bonn trotz vierjähriger Diskussion nichts kommt, verlangen sie vom Land wenigstens das wenige, was möglich ist. Doch Matthiesen blockt, zieht die hessische Verordnung als zu „schwach“ ins Lächerliche und tut selbst nichts. Um aber dennoch als der umweltpolitische Strahlemann dazustehen, fügt er ohne Skrupel gleich eine weitere Lüge hinzu: „Wir alle in den anderen Bundesländern haben da erhebliche Zweifel, und bevor wir so einen Schnellschuß machen, wollen wir die hessischen Erfahrungen auswerten.“

Von wegen „wir alle“! Zumindest Niedersachsen hat eine eigene Verordnung angekündigt – mit schärferen Grenzwerten. Dort will man eben nicht wie in Düsseldorf „abwarten“, bis der Autoverkehr drastisch reduziert und auf die Schiene verlagert ist. Diese von Matthiesen erhobene Forderung ist im übrigen so neu nicht. Schon der sozialdemokratische Bundesverkehrsminister Leber ging mit der Forderung hausieren – vor dreißig Jahren. Geschehen ist nichts, wie die stetig wachsende LKW-Kolonne beweist. Trippelschritte à la Hessen sind da schon ein Fortschritt. Walter Jakobs

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