■ Die CDU und ihre atavistische „Rote Socken“-Tour
: Getrennt marschieren, vereint danebenhaun

An dem insinuierten SPD-PDS-Bündnis soll kein gutes Haar gelassen werden. Darüber hat die CDU eine haarspalterische Debatte ergriffen. Die „Rote Socke“ wollen die Ost-Landesverbände nicht plakatieren, sie verniedliche, so heißt es, das Problem. Welches Problem? Vor wenigen Wochen wäre es noch der Anstieg der PDS in der Bevölkerungsgunst gewesen. Darauf hatten und haben die Partner aus nationalen Frontkämpfertagen keine Antwort. Deshalb hält man sich an die Vorgaben aus dem Konrad-Adenauer-Haus und modelliert die passende Problemstellung. Die Nachkriegsfusion von SPD und KPD, der Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck, wird zum Menetekel für die nachfolgende Gesellschaft stilisiert. Plausibel daran ist allenfalls das Bedürfnis der Ost-CDU, endlich auch die SPD in das DDR-System von Schuld und Verstrickung eingebunden zu wissen.

Auf dieses System hatte die CDU bislang eine eigene Antwort: die nationale Integration. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die Partei der Einheit sich von der PDS hat zwei Wahlkampf-Strategien aufzwingen lassen – eine östliche und eine westliche. Die CDU erfährt somit an ihrem Parteikörper die nach wie vor bestehende gesellschaftliche Teilung. Vor diesem Hintergrund ist erklärlich, daß im Westen zur volksaufklärerischen Maßnahme geriet, was als Kampfansage gedacht war. Die „Roten Socken“, nunmehr wohl nur noch von Freiburg bis Flensburg flächendeckend plakatiert, werden dort ein Bild von dem vermitteln, was der Westbürger allenfalls vom Hörensagen kennt: den gemeinen PDSler, sozusagen den Primaten unter den Ossis. Da es an eigener Erfahrung und Anschauung mangelt, den Schrecken zu fundieren, wird auf die Raster der fünfziger Jahre gezielt. Es dürfte folglich nur eine Frage der Zeit sein, bis Scharpings Fernsteuerung aus Moskau thematisiert wird. An diesen politischen Atavismen wäre weniger der erneute Versuch der Nutzbarmachung erstaunlich als vielmehr die Resonanz, auf die sie stoßen. Eine Gesellschaft, die sich fünf Jahre nach der Wende noch hiervon beeindrucken läßt, dokumentiert augenfällig ihre Modernisierungs-Unwilligkeit.

Gegen Ideologie hilft Empirie. Deshalb weigert sich die SPD, ihren Posten an der Linksfront zu beziehen. Sie wird den Nachweis des Erfolgs ihres volkspädagogischen Unterfangens mit Namen Minderheitsregierung Anfang September erbringen müssen, will sie sich Chancen auf die Übernahme der Bundesregierung sichern. Bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg wird überprüft werden, ob die intendierte Entzauberung der PDS die Früchte trägt, die den Preis ihrer politischen Aufwertung rechtfertigen. Dieter Rulff