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Gegen den graugrünen Alltag

■ Design in Bremen (5): die verborgene Kunst des Industrie-Designs wird allmählich von den Firmen entdeckt

Der Dreher, der in der Frühe zu seiner Maschine schlurft, „weiß natürlich gar nicht, daß das Ding einen Designpreis bekommen hat“. Das sei eben das Los der Industrie-Designer: Je besser sie ihren Job machen und je reibungsloser ihre Apparate funktionieren, desto weniger wird das Design zur Kenntnis genommen. Hans Simoleit, im Bremer Design-Haus ansässiger Gestalter, stört's wenig. Wichtig ist ihm, daß überhaupt mal bei der Entwicklung von Arbeitsgeräten und Maschinen an eine vernünftige Formgebung gedacht wird. Da habe die heimische Design-Förderung einiges anregen können – aber in vielen Bremer Firmen, so Designer-Kollege Hans Kehlbeck, „ist da noch einiges an Missionierungsarbeit zu leisten“.

„Wenn die Maschine funktioniert, sind die meisten Ingenieure schon zufrieden.“ Die weitergehenden Aufgaben „werden dann eben nicht qualifiziert erarbeitet“, sagt Kehlbeck – und genau das gehöre zum Spezialgebiet der Industrie-Designer. Kehlbeck, Mitbegründer eines „Industrial-Design-Studios“ am Rande der City, beschreibt damit den zentralen Konflikt, den seine Zunft immer noch mit den Produktionsfirmen austrägt. Denn wenn die Maschine gut läuft, funktioniert allein deshalb der Betrieb noch nicht reibungslos. All das besser zu gestalten, gehöre zum Aufgabenfeld des Designers, erklärt Kehlbeck: „Industrie-Design ist weit mehr als schöne Formgestaltung“, sagt er; „dazu gehören unter anderem ergonomische Faktoren wie leichte Montage, gute Zugänglichkeit für den Service, formale und farbliche Markierung von Gefahrenzonen.“

Das spricht sich, wie es scheint, so langsam bei einigen Firmen herum. Simoleit berichtet von dem Auftrag eines Bremer Herstellers, ein Handschweißgerät zu überarbeiten. Das ziemlich unhandliche Ding war jahrelang auf dem deutschen Markt; erst, als der Export floppte, weil niemand in Frankreich das Modell kaufen wollte, kam die Firmenleitung auf das Thema Design. „Gravierende Fehler in der Ergonomie“, attestierte Simoleit; die Ingenieure hatten das Gerät „nur so hingewurschtelt“.

Die Neufassung sieht nun nicht nur schöner aus und liegt besser in der Hand. Wichtig fürs Funktionieren sei auch die Farbgebung: „Sowas muß man auffällig gestalten, sonst finden die Arbeiter auf dem Einsatzgebiet Schrottplatz das Gerät zwischen all den Sachen doch gar nicht wieder.“ So arbeiten die Designer Stück um Werkstück gegen das Einerlei der „graugrünen Werkstätten“. Nicht, um mit bunter Farbe vermeintlich mehr Fröhlichkeit zu erzeugen. Sondern schlicht, um die einzelnen Bedienungselemente zu differenzieren und damit den Arbeitsalltag übersichtlicher und sicherer zu machen. Freilich: Mancher Ingenieur, sagt Simoleit, „streicht die Maschinen einfach lila, weil es gerade in Mode ist“.

Nachträgliche Korrekturen, wie bei dem Schweißgerät, sind nun nicht die Wunsch-Aufträge der Designer. Ziel sei es, sagt Kehlbeck, „daß Techniker, Marketingleute, Designer und Serviceleute sich an einen Tisch setzen, und zwar von Anfang an“. Das Bewußtsein, „Ideen nicht nur von oben zu verordnen“ – mit dem Designbüro als letztem Glied in der Entscheidungskette – , setze sich allerdings recht zögerlich durch. Wichtige Impulse habe da die Bremer Design-Förderung geliefert. Gerade haben Kehlbeck und Partner im Auftrag der DST (Deutsche System-Technik) zwei neue Scanner entworfen. Mit dem großen „Flachbettscanner“ z.B. können Textseiten im Zeitungsformat eingelesen, digitalisiert, bearbeitet und dann nach Themen und Stichworten archiviert werden; potentielle Kunden sind Verlage und Industrieunternehmen. Für die Gestaltung des innovativen Geräts gab's Geld aus dem Wirtschaftsressort – „ohne diese Förderung hätte die Firma das Projekt so nicht gemacht“, sagt Kehlbeck. Und ohne die Arbeit der Designer „wären das wieder ganz billige Blechkisten geworden“.

Auch Simoleit profitiert derzeit von der Förderung. Und hat dabei den alten Konflikt zwischen der Designer- und der Ingenieursfraktion überwunden. Gemeinsam mit dem Yachtspezialisten Rainer Niessner, einem gelernten Ingenieur, arbeitet er an einem Baukastensystem für die Cockpit-Ausstattung – eine Idee, die als neu und verkaufsträchtig eingestuft wurde und daher den Höchstsatz von 40.000 Mark Förderung erhielt.

So glatt geht es freilich nicht immer. Denn erstmal muß eine engagierte Firma als Partner da sein, bevor über Förderung geredet werden kann. Viele Firmen aber, sagt Kehlbeck, hätten ihre Zentralen außerhalb des Landes – dort werde dann auch das Design entwickelt.

So blieb ein ambitioniertes Projekt aus seinem Haus mangels entsprechender Firmenpartnerschaft ungefördert (und unverwirklicht): Ein umweltfreundliches „Park & E-Lease“-System. So schön hätte es sein können: Solarmobile in Eiform, aus Kunststoff; wer in die City will, könnte an der Bürgerweide von der Bahn ins Ei umsteigen, Sonne tanken und dann geräuscharm weiterzuckeln. „Für das noch umfassendere Konzept hat unser Projektteam nicht mal Gehör beim Senat gefunden oder etwa einen Zuschuß von 100.000 Mark“ – keine Unsumme für ein solches Projekt, sagt Kehlbeck. tom

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