piwik no script img

Gefangene in Tegel verweigern Arbeit

■ Gefangene fordern wegen der Hitze mehr Freistunden und Kühlschränke

Im Langstrafer-Haus III im Männerknast Tegel gärt es. Zahlreiche Gefangene weigerten sich gestern, zur Arbeit zu gehen. Als Grund wurden gegenüber der taz die unerträglichen Zustände in den Zellentrakten bei der Hitze und die Benachteiligung gegenüber den Insassen anderer Häuser genannt. Im dem Haus sitzen 223 Langzeit-Gefangene ein. Im Gegensatz zu den Gefangenen in den sogenannten drogenfreien Bereichen des Knasts gibt es im Haus III weniger Freistunden. Außerdem gibt es keine Kühlschränke und weniger Duschmöglichkeiten.

Nach Angaben von Gefangenen haben gestern 70 Prozent der Belegschaft des Hauses die Arbeit verweigert. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Strafvollzug in der Justizverwaltung, Wolf-Dieter Krebs, sprach dagegen von 60 Arbeitsverweigerern. Insassensprecher des Hauses bezeichneten es der taz gegenüber als eine Art Warnstreik. Hauptanliegen sei, eine Angleichung der Freistundenregelung zu erreichen. Vorbild seien die Zeiten in den sogenannten drogenfreien Häusern V und VI, wo die Gefangenen wesentlich länger Hofgang und Zellenaufschluß hätten. Insbesondere am Wochenende, wo die Umschluß- und Freistunden im Haus III drastisch reduziert wurden, müßten die Zeiten erweitert werden. „Wir sehen von unseren Zellenfenstern aus, wie die anderen draußen auf der Wiese liegen“, berichtete ein Insasse. Auch über mangelnde Dusch- und Kühlmöglichkeiten führen die Insassen Klage. Sie könnten nur dann duschen, wenn sie auf die einzige Stunde Hofgang am Tag verzichteten, hieß es. In Ermangelung von Stationskühlschränken bleibe ihnen nichts anderes übrig, als die selbstgekauften frischen Lebensmittel wie Obst, Butter und Getränke im Waschbecken in der Zelle zu kühlen. Das Becken könne aber nur provisorisch verstöpselt werden. „Deshalb laufen am Tag Zigtausende Liter Wasser davon.“

Die Forderungen der Insassen nach Kühlschränken und einer Erweiterung der Duschzeiten seien angesichts der Hitze durchaus verständlich, erklärte Wolf-Dieter Krebs. Er versprach, „darüber nachzudenken“, wie das Duschproblem gelöst werden könne. „Das ist eine organisatorische Frage.“ Neue Kühlschränke könnten in diesem Sommer aber keinesfalls angeschafft werden, weil sie nicht im Haushaltstitel vorgesehen seien. Eine Angleichung der Freistundenregelung kommt laut Krebs überhaupt nicht in Betracht. Die Zeiten seien deshalb so kurz gehalten, um Geschäftemacherei und Drogenhandel einzudämmen. Solange es so heiß sei, würden die Zellen in den einzelnen Flügeln sonntags am Abend jedoch jeweils „90 Minuten zusätzlich geöffnet“. Auf die Frage, ob die Arbeitsverweigerer eine Bestrafung befürchten müssen, sagte Krebs: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Anstaltsleiter gleich mit der Disziplinarfuchtel kommt.“ Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen