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Regierung wird die Niederländer einiges kosten

■ Nach drei Monaten wird in Den Haag immer noch über eine Koalition verhandelt / Die Hauptstreitpunkte sind die Ausgaben für das soziale Netz

Berlin (taz) – Das Roulette um eine mögliche Regierungskoalition in den Niederlanden geht munter weiter. Seit beinahe drei Monaten – am 3. Mai wurde gewählt – bemühen sich die Fraktionschefs der Parteien um eine tragfähige Koalition. Dabei wiederholen sich die Rituale: Am vergangenen Montag standen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluß, am Mittwoch scheiterten sie, und seit Freitag geht es wieder aufwärts. Der Anlaß für das Auseinanderbrechen ist immer der gleiche: Streit um Erhalt oder Abbau der Sozialleistungen.

Nun steht wieder eine Koalition zur Debatte, deren Verhandlungen bereits vor fünf Wochen kläglich gescheitert waren und die verfeindet auseinanderging: eine sogenannte „violette“ Koalition aus Sozialdemokraten (PvdA), den rechtsliberalen VVD und den linksliberalen Demokraten 66 (D66). Bis Mitte August soll die Regierung stehen, damit, wie üblich, zum „Prinzentag“ am 21. September der Haushaltsentwurf für 1995 vorgestellt werden kann.

Bei dessen Veröffentlichung wird so manchem Niederländer der Atem stocken: Der in der vergangenen Woche vom PvdA-Fraktionschef Wim Kok vorgelegte „Entwurf eines Regierungsprogramms“, auf dessen Grundlage nun verhandelt wird, sieht bis 1998 Einsparungen von 18 Milliarden Gulden – umgerechnet etwa 16,5 Milliarden Mark – vor. Kok war Anfang Juli angesichts der desolaten Lage in Sachen Regierungsbildung von Königin Beatrix aufgefordert worden, Leitlinien für eine mögliche Zusammenarbeit auszuarbeiten.

Bei den jetzt angepeilten Kürzungen wird vor allem das immer noch als vorbildlich geltende soziale Netz kräftig beschnitten: Die meisten Hilfen für Arbeitsunfähige, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen nicht nur weniger werden, sondern auch eine kürzere Laufzeit erhalten. Außerdem soll künftig nicht mehr die Regierung, sondern Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Arbeitslosenunterstützung verhandeln.

Mit der geplanten Einsparung von einer Milliarde bei der Unterstützung von Studenten werden die Niederlande sich endgültig von der staatlichen Studienfinanzierung verabschieden: Auch hier müssen Studenten künftig Geld vom Staat leihen; bisher gab es demgegenüber eine elternunabhängige „Basisunterstützung“ von etwa 500 Mark monatlich.

Die vom Gesundheitsministerium geträumte Vision einer einheitlichen „Basisversicherung“ als Krankenversicherung, die nicht nur alle anfallenden Kosten, sondern auch die Pflege abdecken sollte, scheint ebenfalls ausgeträumt: Statt dessen ist jetzt eine jährliche Selbstbeteiligung von 180 Mark zur Krankenversicherung geplant; Leistungen wie Zahnarztbesuche oder Physiotherapie sollen künftig gar nicht mehr übernommen werden. Gekürzt werden sollen ferner der Kinderzuschlag sowie das Wohngeld.

Nach drei Monaten zäher Verhandlungen scheint die Kraft der niederländischen Parteiführer am Ende: Sozialdemokraten und D66 machen fast täglich weitere Zugeständnisse in Sachen sozialer Sicherheit, die noch vor der Wahl undenkbar waren. Die rechtsliberalen VVD hingegen, die traditionell für einen Abbau des in ihren Augen aufgeblasenen und überteuerten „Sozialapparats“ eintreten, werden sich, ob Koalitionspartner oder nicht, bei Abschluß der Verhandlungen die Hände reiben können. Jeannette Goddar

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