Sieben Liter am Hochofen hitzefrei für die DAG

■ Wie an verschiedenen Arbeitsplätzen von den Firmen auf die Hitze reagiert wird

„Schreib mal wieder... – geht der Reklame-Sogan der Post. „Bloß nicht“ sagen die schwitzenden ZustellerInnen angesichts von 30 Grad Hitze. Doch kann niemand dem Unternehmen mit dem gelben Horn nachsagen, nichts für ihre Bediensteten zu tun: Ein Anrecht auf „ein Erfrischungsgetränk im Werte von höchsten 0,80 DM“ haben alle Bediensteten, die mehr als 27 Grad Hitze ausgesetzt sind - so regelt es die eigens dafür existierende „Erfrischungsrichtlinie“. In dem 5seitigen Vertragswerk aus dem Jahre 1980 wird alles nur Erdenkliche in insgesamt 17 Rubriken geregelt - von der Zubereitung der Getränke bis zur Getränke-Ausnahmeregelung im Katastrophenfall. Die in der Präambel festgeschriebene Erkenntnis, daß „außergewöhnliche Arbeitsbedingungen Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Bediensteten beeinträchtigen können“, beschert ihnen momentan eine Abkühlung – selbstverständlich alkoholfrei.

„Täglich werden in Bremen momentan 1.500 Getränke ausgegeben“, so Pressesprecher Karl-Heinz Antelmann. Während radelnde und laufende PostlerInnen eine Dose mit auf den Weg bekämen, würden an Bürobedienstete Pfandflaschen ausgegeben.

So fürsorglich diese Verordnung auch gemeint ist - an der Basis stehen die Bediensteten ihr eher kritisch gegenüber. Grund: Anscheinend hapert es bei der Durchführung. Ein Beamter: „Über den Sinn eines einzigen Getränkes läßt es sich eh streiten, doch selbst das kommt in der Regel nicht oder nur zu spät an. Das, was uns zusteht, sollte auch eingehalten werden.“

Bedienstete in den höheren Positionen gehen leer aus: In ihren Büros lassen sich in der Regel gemäß Punkt 3 Absatz 1 „Maßnahmen zur Verringerung der Innentemparatur“ treffen –sprich durch Anschalten der Klimaanlage.

Am Hochofen 3 der Klöckner-Stahlwerke sieht es da schon anders aus. Da gibt es für die Schmelzer momentan kein Entrinnnen vor der Hitze. „Die Arbeit bleibt dieselbe: „Jetzt werden die Grenzen der Kollegen sichtbar“, sagt Oberschmelzer Karl-Heinz Hergesell. „Selbst wenn man sich von der Rinne entfernt - der Schweiß läuft weiter.“ In der „Rinne“ fließt feuerrot der flüssige Stahl.

Lediglich ein Antrinken gegen die Hitze verschafft kurzzeitige Linderung: Pro Schicht gehen momentan bis zu 10 Flaschen Wasser pro Person weg. Aber immerhin gibt es von der Betriebsleitung Freiwasser.

Erleichterung ganz anderer Art gibt es für die Beschäftigten der Landesvertretung Bremen/Niedersachsen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG): In Zukunft gibt es hitzefrei. Haben die Temperaturen in den Büros um halb eins 26 Grad erreicht, kann um zwei Uhr der Bleistift aus der Hand gelegt werden. Andre Reß