: Schlechte Zeiten für Denkmäler
Denkmalschutz in der Kritik: Bezirke und Senat streiten sich um die Zuständigkeit / Grüne fordern, mögliches Landesamt beim Kultursenator anzusiedeln ■ Von Uwe Rada
Der bis 1992 amtierende Berliner Landeskonservator Helmut Engel war eine umstrittene Person: Wenn er um ein Gebäude kämpfte, warf man ihm vor, sich dem Strom der Zeit entgegenzustellen, unternahm er nichts, war er schuldig am rüden Umgang mit der Stadt. „Engels Entscheidungen waren so unpopulär wie die Denkmalpflege in Berlin“, resümiert eine Mitarbeiterin Fachabteilung Denkmalpflege, die namentlich nicht genannt werden möchte. „Es gibt in Berlin im Gegensatz zu Hamburg oder Bremen kein ortsgebundenes Bürgertum, das ein Interesse am Erhalt denkmalwerter Gebäude hätte“, sagt sie. Die meisten „Berliner“ seien Zugezogene wie auch der aus Hessen stammende Denkmalverantwortliche Volker Hassemer.
Jörg Haspel kommt aus Schwaben. Seit knapp zwei Jahren ist er verantwortlich für den Denkmalwert von Berliner Bauten. Eigentlich als Gruppenleiter von Hamburg nach Berlin geholt, leitet Haspel inzwischen kommissarisch die „Fachabteilung Bau- und Gartendenkmalpflege“ (FAB), die obere Denkmalbehörde. Der obersten Denkmalbehörde steht nunmehr Helmut Engel vor. Ein Amt zum Repräsentieren.
Seitdem Alexander Ferdinand von Quast 1843 zum „Königlichen Conservator der Kunstdenkmäler des Staates Preußen“ ernannt wurde, sind 151 Jahre vergangen. Gefeiert wurde im letzten Jahr nicht. Der Denkmalschutz in Berlin ist unter der Ägide Haspel zum Streitfall geworden. Wollte man den Denkmalschutz ernst nehmen, fordert die Baustadträtin von Berlin-Mitte, Dorothee Dubrau, dann müßte an seiner Spitze nicht nur eine Kämpfernatur stehen, sondern die Denkmalbelange bei der Bauplanung wesentlich mehr Berücksichtigung finden. „Bislang freilich“, klagt sie, „ist der Denkmalschutz das fünfte Rad am Wagen. Die Denkmalschützer werden zwar gehört, das schützt sie aber nicht davor, von der Politik ausgehebelt zu werden.“
Der Denkmalschutz könne kein Ersatz für eine verfehlte Stadtplanung sein, hält Volker Hassemer dagegen. Und Haspel ergänzt: „Statt den Denkmalschutz für alles verantwortlich zu machen, kann der Bezirk mit Bebauungsplanverfahren selbst für den Erhalt der Bausubstanz sorgen.“ Theoretisch ja, praktisch nein, kontert die Baustadträtin. Bei monatlich 3.000 Bauanträgen sei ihr Amt überfordert, für die Aufstellung von Bebauungsplänen nur eine Person zuständig. Schuldzuweisungen dieser Art sind es, die Dorothee Dubrau besonders ärgern. Bislang vergeblich fordert der Bezirk eine Erhaltungssatzung für die Friedrich- und Friedrich-Wilhelm-Stadt. Noch immer liegt das Vorhaben, das dem Bezirk mehr Rechte gegenüber Investoren einräumen würde, bei Senator Hassemer auf Halde.
Der Streit kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Denkmalschutz oftmals nur noch Mittel zum Zweck ist. Eine „Erste- Hilfe-Aktion“, wie es im Bezirksamt heißt. Die Gründe liegen auf der Hand. „Wenn ein Gebäude nicht unter Schutz gestellt wird“, erklärt die Leiterin des Denkmalamtes in Berlin-Mitte, Eva-Maria Eichler, „bleibt eigentlich nur noch der Paragraph 34 des Baugesetzbuches.“ Damit kann zwar ein Bauvorhaben zurückgestellt werden, wenn es seinem Charakter nach der unmittelbaren Umgebung nicht entspricht. In Mitte jedoch, wo ohnehin mehr Büros als Wohnungen existieren, ein oft hoffnungsloses Unterfangen.
Entsprechend heftig war und ist der Streit um die Zuständigkeit der Unterschutzstellung. Seit März diesen Jahres liegt die Verantwortung bei der oberen Denkmalbehörde. Das Verwaltungsgericht hatte entschieden, daß die Aufnahme in die Denkmalliste keine Ordnungsaufgabe sei und somit nicht unter die Zuständigkeit der Bezirke falle. Für das Bezirksamt ein klarer Fall von „Entmachtung“, zumal Hassemers Staatssekretär, Wolfgang Branoner, zuvor alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, den Bezirken jene „Ordnungsaufgabe“ zu entziehen. Dorothee Dubrau kann die Entscheidung nicht verstehen. „Der schlimmste Schaden, der einem Gebäude zugefügt werden kann“, sagt sie, „ist der Abriß.“ Ihn zu verhindern sei demnach eine Gefahrenabwehr, und dafür sei der Bezirk ebenso zuständig wie für die Beseitigung von Leerstand oder Zweckentfremdung.
Dennoch ist im Zusammenhang mit der geplanten Denkmalschutznovelle die Rückgabe der Unterschutzstellung in die Hände der Bezirke kein Thema mehr. Der Grund dafür, verlautet aus der Fachabteilung, sei das unmittelbar bezirkspolitische Interessengefüge, das eine objektive Entscheidung oft schwermache. Als Beispiel wird unter anderem auf den Baustadtrat von Treptow verwiesen, der sich bis zur Verlagerung der Kompetenz geweigert habe, die „East-Side-Gallery“ in die Denkmalliste aufzunehmen. Daß „Objektivität“ allerdings nicht immer die Stärke der oberen Denkmalschutzbehörde ist, ist ein offenes Geheimnis. Die von Volker Hassemer erst in der vergangenen Woche wiederholte Überzeugung, daß die sich unter seinem Dach befindliche Verantwortung für Schutz und Veränderung, für Erhalt und Stadtplanung der Grund dafür sei, daß es in Berlin vorangehe, trifft bei den Denkmalschützern seines Hauses nicht unbedingt auf Gegenliebe. „Im Zweifelsfall“, wird dem Senator attestiert, „entscheidet er sich fürs Neue.“ Im Klartext: Im Zweifel bleibt der Denkmalschutz gegenüber den Interessen der Investoren auf der Strecke.
Den Grünen im Abgeordnetenhaus ist der Zielkonflikt innerhalb der Stadtentwicklungsverwaltung seit längerem ein Dorn im Auge. Für die baupolitische Sprecherin der Abgeordnetenhaus-Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Elisabeth Ziemer, ist es deshalb logisch, die Denkmalschutzbehörde beim Kultursenator anzusiedeln. Eine Forderung, die auch in der Senatsbehörde selbst auf offene Ohren stößt. „Kommt es dann zum Konflikt zwischen Kultur und Stadtentwicklung, muß eine politische Entscheidung her“, freut man sich auf derartig klare Verhältnisse.
Noch in dieser Legislaturperiode soll, so Volker Hassemer, die Novelle des Berliner Denkmalschutzgesetzes unter Dach und Fach sein. Neben der künftig nachrichtlichen Aufnahme in die Denkmalliste und der Einrichtung unterer Denkmalschutzbehörden auch in den Westbezirken der Stadt ist an die Einrichtung eines Landesamtes für Denkmalpflege gedacht. „Und dann“, sagt Elisabeth Ziemer, „wird es ohnehin eine Diskussion geben, wo da angesiedelt wird.“
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