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Möller-Entlassung auf der Kippe?

■ Gutachten nach Aktenlage angeblich erst in einem zweiten Verfahren zulässig / Angehörige besetzten Paulskirche

Berlin (taz) – Die Staatsanwaltschaft Heidelberg ist offenbar entschlossen, das Entlassungsverfahren gegen die RAF-Gefangene Irmgard Möller weiter in die Länge zu ziehen. In einer Stellungnahme an die zuständige Strafvollstreckungskammer Lübeck, die in der letzten Juli-Woche auch Möllers Anwalt Franz Schwinghammer zuging, bestehen die Staatsanwälte auf einer persönlichen psychiatrischen Untersuchung der Gefangenen.

Ein Gutachten nur nach Aktenlage, wie es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall des RAF-Gefangenen Karl-Heinz Dellwo 1993 für ausreichend erklärt hatte, lehnen die Staatsanwälte nach Angaben Schwinghammers für das derzeit laufende Verfahren ab.

Aus „Gleichbehandlungsgründen“ (mit Dellwo), argumentiert laut Schwinghammer die Staatsanwaltschaft, könne die Exploration erst in einem „erneuten Verfahren“ abgespeckt und dann aufgrund von Akten ein psychiatrisches Gutachten erstellt werden.

Eine solche Interpretation des BGH-Beschlusses ist überraschend, weil die Karlsruher Richter im Fall Dellwos erst entschieden, als das OLG Düsseldorfs den ersten Entlassungsantrag wegen des fehlenden psychiatrischen Gutachtens bereits abgelehnt hatte. Da der BGH-Senat die Düsseldorfer Entscheidung nicht in Gänze kassieren wollte, regte er ein zweites Verfahren mit niedrigeren Hürden an. Daß nun auch im Fall Möller solche Ehrenrunde nötig sein soll, nannten Juristen gestern „blühenden Unsinn“. Schwinghammer wiederholte den Vorwurf, die seit 22 Jahren einsitzende Irmgard Möller werde nicht entlassen, „weil dazu der politische Wille fehlt“. Tatsächlich untersteht die Heidelberger Staatsanwaltschaft dem Stuttgarter Justizminister Schäuble.

Die Staatsanwaltschaft kann die Entlassung nur verzögern, letztlich aber nicht gegen das Votum der Gerichte verhindern. Gegen einen Entlassungsbeschluß der Strafvollstreckungskammer können die Staatsanwälte „sofortige Beschwerde“ beim Oberlandesgericht (OLG) einlegen. Das OLG wiederum könnte relativ rasch, ohne weitere Gutachten oder Anhörungen, den Entlassungsbeschluß endgültig bestätigen. Die zweite aktuelle Hürde, die Weigerung des vorgesehenen psychiatrischen Gutachters, aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse eine Prognose über Irmgard Möllers „Gefährlichkeit“ abzugeben, könnte die Strafvollstreckungskammer selbst beiseite räumen: Sie müßte dafür den Gutachter auffordern, seinem Auftrag nachzukommen oder ihn zurückzugeben. Im zweiten Fall könnte ein anderer Sachverständiger die vorgeschriebene Expertise nach Aktenlage erstellen, wie es der Bundesgerichtshof nahegelegt hat.

Die 13 hungerstreikenden RAF-Gefangenen, die mit ihrer Aktion auf Irmgard Möllers Situation aufmerksam machen wollen, erhielten gestern Unterstützung von außen: In Frankfurt besetzten etwa zwei Dutzend Angehörige und Freunde kurzzeitig die Paulskirche und verlangten die Freilassung der Lübecker Gefangenen. Es sei zu befürchten, erklärte Gisela Pohl, Frau des RAF-Häftlings Helmut Pohl, daß Möllers 22jährige Haft zum Maßstab für die anderen 15 „politischen Gefangenen“ werde. Gerd Rosenkranz

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