Das Team der Träumer

Der Titel der heute in Kanada beginnenden Basketball-Weltmeisterschaft ist schon so gut wie vergeben: an die Erben des Dream Teams von 1992  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Einer guten Wette ist Michael Jordan noch nie aus dem Weg gegangen, und wenn es irgend etwas gibt, das ihn noch einmal zum Basketball verleiten könnte, dann ist es jenes US-Team, das heute sein erstes Spiel bei der Weltmeisterschaft in Kanada bestreitet. Eine glatte Majestätsbeleidigung dünken den zum Baseball konvertierten ehemaligen Korbflieger die Aussagen von Spielern wie Reggie Miller oder Alonzo Mourning, daß die WM-Mannschaft genauso gut sei wie jenes Dream Team, das 1992 in Barcelona Olympiagold gewann. Und über die Apostrophierung der Nachfolge-Crew als „Dream Team II“ kann er ohnehin nur lachen. „Diese Burschen sind im richtigen Team, es sind Träumer“, spottet Jordan und fügt kampfeslustig hinzu: „Wir waren nicht nur damals besser, wir würden auch heute gewinnen. Und ich hätte große Lust, es zu demonstrieren.“

Vermutlich hat der emeritierte Meister sogar recht, denn der Vergleich der beiden Starensembles hinkt beidbeinig. Das WM-Team besteht zwar aus exzellenten Spielern, aber beileibe nicht aus den besten NBA-Cracks. Es fehlt nicht nur der Spieler des Jahres, Hakeem Olajuwon vom Champion Houston Rockets, der mit 17 einmal für seine Heimatland Nigeria spielte und deswegen bei der WM in Kanada nicht eingesetzt werden kann, sondern es fehlen auch Leute wie die Olympiasieger Scottie Pippen, David Robinson, Charles Barkley, Patrick Ewing und Karl Malone, die ihre internationalen Meriten bereits in Barcelona ernteten, aber nach wie vor zu den dominierenden Figuren der NBA gehören. Und es fehlt das Charisma eines Magic Johnson, Michael Jordan oder Larry Bird. „Eine Mannschaft, gespickt mit Stars, aber ohne Legenden“, konstatierte El Pais.

Das ändert natürlich nichts daran, daß sie den Titel gewinnen wird. Die zwölf Spieler des US- Teams sind gleichzeitig die zwölf besten Spieler des Turniers, und es ist ziemlich egal, wen Coach Don Nelson (Golden State Warriors) auf das Feld schickt. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, dafür zu sorgen, daß alle ihre Spielminuten bekommen, um die Eifersüchteleien unter seinen verwöhnten Wohlstandsjünglingen gering zu halten. Während Spieler wie der vorlaute Alonzo Mourning allenthalben erklären, daß sie den Durchschnitt von 43,8 Punkten Unterschied, mit dem das Dream Team in Barcelona die Gegner bezwang, überbieten wollen, stapelt Nelson eher tief: „Es besteht kein Druck, mit einer großen Differenz zu gewinnen. Was allerdings besteht ist der Druck, zu gewinnen und ein Spektakel zu bieten.“

Mit Akteuren wie Reggie Miller, Kevin Johnson, Derrick Coleman, Steve Smith, Joe Dumars, den sicheren Werfern Mark Price und Dan Majerle, dem spektakulären Shawn Kemp, dem zu den Boston Celtics gewechselten Veteranen Dominique Wilkins und den wuchtigen Youngsters Alonzo Mourning, Larry Johnson und Shaquille O'Neal dürfte das kein Problem sein. Im Testspiel gegen die Deutschen gab es beim 114:81 zwar nur eine magere 33-Punkte- Differenz, aber vor allem der mächtige Shaq O'Neal stampfte so entschlossen zum Korb, daß sich Joe Dumars große Sorgen um die Gesundheit der Gegner machte: „Ich habe bloß gehofft, daß diese Typen aus dem Weg gehen. Du kannst dich ziemlich verletzen, wenn du in seine Bahn gerätst.“

Zum Star der Stars hat sich in der Vorbereitungszeit jedoch nicht O'Neal, sondern Reggie Miller von den Indiana Pacers gemausert, dessen Zielsicherheit schon den New York Knicks in den Play-offs das Leben so schwer gemacht hatte. Miller wurde als einer der Letzten ins Team berufen und meint, daß dies wohl „ein wenig Enthusiasmus hinzufügte“. 19 Punkte gelangen dem 28jährigen gegen Deutschland, und Coach Don Nelson, dessen Warriors aus Oakland nur selten gegen Indiana spielen, war schwer beeindruckt: „Ich wußte nicht, daß er so gut ist.“

Heute abend bekommen in Hamilton zuerst die Spanier die geballte Wurfgewalt der NBA- Cracks zu spüren. Sie hatten das Pech, der Gruppe A mit den USA zugelost zu werden, und so bleibt ihnen nur der Kampf um Platz zwei gegen China und Brasilien. In Gruppe B sollten Kroatien und Australien eigentlich keine Mühe haben, sich gegen Kuba und Südkorea durchzusetzen, in Gruppe C deutet alles auf Rußland und Gastgeber Kanada als Viertelfinalteilnehmer hin. Argentinien und Angola könnten ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.

Hart wird es für das deutsche Team, das heute (20.15 Uhr) in Toronto gegen Griechenland antritt. „Wenn wir das verlieren, können wir das Viertelfinale schon fast abschreiben“, meint Henning Harnisch, denn in der Gruppe D tummeln sich außer den Ägyptern noch die starken Puertoricaner, die gerade das Turnier der Goodwill Games in St. Petersburg gewonnen haben. Sollte der Auftakt danebengehen, bliebe für den Europameister bei der ersten WM, für die er sich seit 1986 qualifizieren konnte, wohl nur der Wettstreit um die Plätze 9 bis 16. Und das, so Harnisch, wäre „grausam“.