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Viel heiße Luft um Solinger V-Mann

Zum Hintergrund des Solinger Mordanschlages gab die „Topquelle“ gestern nur Spekulationen zu Protokoll / Zähe Zeugenvernehmung Schmitts / Rechte Agitation bestritten  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Gestern herrschte im Prozeß um den mörderischen Solinger Brandanschlag ein Riesengedränge. Der Grund: die Vernehmung des V-Manns Bernd Schmitt. Viel Neues erfuhren Zuschauer und Presseleute dabei von dem früheren Leiter der Solinger Kampfsportschule „Hak Pao“ indes nicht. Schmitt, in dessen Schule zahlreiche Rechtsextremisten ein und aus gingen, beteuerte auch gestern im Zeugenstand, „keinerlei konkrete Anhaltspunkte“ über die Hintergründe der Tat zu haben. Er habe sich nach dem Mordanschlag zwar auftragsgemäß in der rechten Szene der Stadt „intensiv und gründlich“ umgehört, aber nichts über die Täter erfahren: „Die rechte Szene in Solingen war eher bescheiden.“ Auf die rechte Jugendszene angesprochen, sagte Schmitt: „Ich rechne die dem alkoholisierten Spektrum zu, aber keinem politischen.“

Nach Angaben des nordrhein- westfälischen Innenministers Herbert Schnoor (SPD) hatte Schmitt kurz nach dem Anschlag an die Behörde „circa 20 Personenhinweise“ gegeben. Darunter auch der Name des in Düsseldorf auf der Anklagebank sitzenden Markus Gartmann, der als einziger der vier Angeklagten ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Ihn habe er seinerzeit genannt, so Schmitt, „weil ich ihn zum rechten Spektrum gezählt habe“. Konkrete Verdachtsmomente seien ihm aber bei Gartmann nicht bekannt gewesen.

Während seiner Zeugenvernehmung wirkte der von Schnoor als „einer der wichtigsten Informanten“ des NRW-Verfassungsschutzes gepriesene V-Mann oft unsicher und erinnerungsschwach. Oft verhedderte sich der inzwischen vom Verfassungsschutz an unbekanntem Ort versteckte Zeuge in seinem mitunter wirren Aussagegestrüpp. Nebulös blieben gestern weitgehend seine tatsächliche Gesinnung und sein Zusammenspiel mit zahlreichen rechtsextremen Führern aus dem ganzen Bundesgebiet. Daß die inzwischen verbotene Nationalistische Front (NF) mit ihrem Anführer Meinholf Schönborm schon 1992 ein Treffen in seiner Kampfsportschule abhielt, erklärte Schmitt so: „Ich habe das aus sportkameradschaftlichen Gründen getan, weil ein Mitglied unseres Klubs, der zeitweise in der NF war, mich darum gebeten hatte.“ Über die Hintergründe der NF habe er nichts gewußt: „Das waren für mich damals zwei Buchstaben.“ Bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft läuft gegen Schmitt zur Zeit ein Ermittlungsverfahren wegen „strafrechtlich erheblicher Unterstützungshandlungen“ zugunsten der inzwischen verbotenen NF. Ob dieses Verfahren von der Staatsanwaltschaft auch nach der Enttarnung des V-Manns, der die Kontakte nach dem Verbot der NF laut Schnoor im Auftrag des Verfassungsschutzes pflegte, weiterbetrieben wird, steht dahin.

Als „absolut falsch“ bezeichnete Schmitt gestern die Zeugenaussage des 17jährigen Solinger Jörn P. vom 23. Juni dieses Jahres im Düsseldorfer Prozeßbunker. P. hatte ausgesagt, Schmitt habe sich über die antirassistische Gesinnung der Eltern des Angeklagten Felix K. beschwert. Nach einer von den Eltern unterschriebenen Protestanzeige gegen den Möllner Mordanschlag habe Schmitt wörtlich zu Felix K. gesagt: „Deine Eltern hast du wohl auch nicht im Griff. Wie können die so etwas mitmachen?“ Dazu Schmitt gestern: „Das ist absolut unwahr.“

Zu dem von Schnoor verbreiteten Bild vom „nachrichtenehrlichen“ Aufklärer Schmitt paßt so gar nicht, daß der V-Mann in einem Telefongespräch mit einem jugendlichen Freund der Angeklagten unmittelbar nach dem Brandanschlag vor möglichen Hausdurchsuchungen warnte. Seine dürftige Erklärung dazu gestern: „Das war keine Warnung, sondern nur ein Hinweis.“ Er habe von den Skinhead-Musikkassetten bei den Jugendlichen gewußt und nicht gewollt, daß Jugendliche, die „nur rechte Musik hören“, Schwierigkeiten bekämen. Schmitt wörtlich: „Etwas Böses habe ich mir dabei nicht gedacht.“

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