: Nackt aus der Tasche
■ Premiere: Clownsgala mit „Mikos“ & „Cube Triu“ im Schmidt
Ächzend und keuchend schiebt der kleine Buckelige mit dem roten Kostüm das Klavier auf die Bühne. Sein Chef, Herr und Meister aller Elfenbeintasten, würdigt das Werk keines Blickes, wartet pikiert auf seinen Applaus - und bekommt ihn. Theatralisch beginnt er sein Spiel - doch was ist das? Ein schriller Typ stört die anmutige Darbietung mit ausgelassenem Ping-Pong Spiel. Wie magnetisiert tanzt der Ball lautstark und im Takt (!) auf acht Blechkochtöpfen herum, die der Störenfried zwischen den Fingern, auf den Schultern, dem Kopf und vor dem Bauch balanciert.
Perfekter Klamauk - schlicht und banal, artistisch und sensationsgeladen, aber immer komisch. Das Moskauer Clown-Sextett Mikos präsentiert im Schmidt zum zweiten Mal - nach einem Gastspiel bei den Moskauer Nächten im Herbst 1993 - seine grell-bunte Mischung aus Comedy und Variete. Virtuos spielen sie auf der Klaviatur des Komischen, lassen Stühle über's Podium huschen, ein fiktiver Güterzug rauscht vorbei, Brustmuskeln zucken rhythmisch zur Musik.
Doch alle Akrobatik ist nur Beiwerk für die ausgefuchste Mimik der osteuropäischen Autodidakten. Das bloße Erscheinen ihrer Köpfe, wenn sie, nur mit der Ausdruckskraft ihrer Visagen bewaffnet lächeln, kichern, flehen oder zittern, treibt dem Publikum die Tränen in die Augen.
Nicht minder beeindruckend ist das Cube Triu, in Wahrheit ein Duo, das ebenso wie Mikos am Moskauer Clownstheater engagiert ist. Die beiden mimen einen angestaubten Zauberer nebst trotteligem Lehrling, welcher sich im Laufe des Auftritts als wesentlich geschickter im Verschwindenlassen roter Tücher erweist, als sein Lehrmeister. Bevor dieser Beweis angetreten ist, krabbelt Klein-Magic Groß-Magic noch von einer Hosentasche in die andere und entblättert sich bis auf einen die Scham bedeckenden Zylinder. Wem das an Clownerie und Unterhaltung nicht genügt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Andreas Dey
Bis 3. September, Schmidt, Di-So, 20.30, So auch 18 Uhr
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