: "Tempolimit mit Europa abstimmen"
■ Elke Ferner, stellvertretende verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, erläutert, welche Verkehrspolitik von einer Bundesregierung unter Rudolf Scharping zu erwarten wäre
taz: Kanzlerkandidat Scharping hat sich für Tempolimit 130 ausgesprochen. Finden Sie das hinreichend?
Ferner: Der alte Beschluß der SPD-Fraktion war ja: 120 auf Autobahnen, 90 auf Landstraßen und 30 innerorts. Man muß das jetzt auch im Europazusammenhang sehen. Ich schätze, 130 wird man mühelos durchbringen können. Ob 120 oder gar 100 im Europaparlament durchsetzbar ist, weiß ich nicht.
Man könnte das ja national regeln. Gibt es mit der SPD auf jeden Fall ein Tempolimit?
Ich gehe davon aus. Man wird versuchen, das mit Europa abzustimmen. Da halte ich 130 für am realistischsten. Mir persönlich wäre 120 oder 100 lieber, aber wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung ist es mir doch relativ egal, ob es 130 oder 120 heißt. Wir brauchen einen Einstieg.
Warum wollen Sie Scharping mit 130 durchfahren lassen, wenn schon 120 beschlossen waren?
Man kann sich über des Kaisers Bart streiten. Ob da jetzt zehn mehr oder weniger sind, ist für mich zunächst weniger bedeutsam, als daß es eine Regelung gibt.
Außer beim Tempolimit sehe ich keine verkehrspolitischen Differenzen zur Bundesregierung.
Der wesentliche Unterschied ist, daß wir tatsächlich eine Schienenvorrangpolitik machen werden und sie nicht nur ankündigen. Das heißt, eine Umlenkung der Investitionen vom Straßenbau in die Schieneninfrastruktur. Das wird auf Kosten der Autobahnneu- und ausbauten und einiger Ortsumgehungen im Westen gehen.
Der Bundesverkehrswegeplan ist aber von den SPD-regierten Ländern mitgetragen worden, sie haben kaum weniger Straßen angemeldet als die CDU-Länder.
Man muß die Rahmenbedingungen angucken, wie der Bundesverkehrswegeplan gemacht wird. Jedes Land meldet erst einmal soviel an, daß es seine Investitionsquote ausschöpft. Wir haben aber auch einige Projekte zur Streichung beantragt, und man wird noch einmal jedes Projekt überprüfen müssen, ob es notwendig ist. Und wenn es im Gegenzug Geld für Schienen gibt, kommt das den Ländern ja wieder zugute.
Aber der Bundesverkehrswegeplan ist ja schon Gesetz.
Jedes Gesetz gilt so lange, bis es geändert wird.
Welche Objekte werden mit einer SPD-Regierung nicht gebaut?
Die Autobahn Düsseldorf-Bochum-Dortmund wird sicher nicht gebaut werden, dann die Rothaarautobahn und noch einige mehr.
Welche Dimension wird eine Mittelumverteilung haben?
Im Regierungsentwurf haben wir keine konkreten Zahlen festgelegt. Man muß das anhand der vielen, vielen Einzelmaßnahmen sehen. Und es ist ja nicht nur die Frage, wieviel ausgegeben wird, sondern auch, was zuerst gemacht wird. Außerdem müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Straße nicht mehr so begünstigen wie derzeit. Wir haben gesagt, wir wollen die Steuern und Abgabenquote insgesamt nicht erhöhen. Es ist also die Frage, wieviel Spielraum man für eine Energiesteuer hat, wenn man die Lohnsteuer für die unteren und mittleren Einkommensgruppen absenkt. Ich könnte mich da jetzt nicht festlegen, wieviel die Mineralölsteuer wann steigt. Da muß man Be- und Entlastungen finanzpolitisch miteinander verrechnen. Pure Ökologie ist nicht das, was angesagt ist, sondern eine sozial gerechte ökologische Politik.
Wie will die SPD konkret dem Autoverkehr die Kosten anlasten?
Es gibt da ja einen ganzen Strauß von Maßnahmen, die zwar die Einnahmen nicht erhöhen, aber Energieverschwender mehr belasten. Zum Beispiel Mineralölsteuer erhöhen, dafür aber Kfz- Steuern abschaffen.
Ich sehe noch immer nicht, wie Sie dem Autoverkehr die Kosten anlasten wollen.
Es wird bestimmt eine schrittweise Mineralölsteuererhöhung geben. Auch elektronisches Road- Pricing ist im Gespräch. Fragen: Annette Jensen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen