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Karadžić kämpft ohne Rückendeckung

■ Serbien bricht Beziehungen zu bosnischen Serben ab / Staaten der Kontaktgruppe sind skeptisch

Belgrad (AP/taz) – Die Regierung Rest-Jugoslawiens reagierte schnell und scharf: Nur wenige Stunden nachdem das selbsternannte Parlament der bosnischen Serben in Pale den Genfer Teilungsplan für Bosnien erneut abgelehnt hatte, beschloß sie, alle politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu der bosnisch-serbischen „Republik“ abzubrechen. In einer Erklärung hieß es, die bosnischen Serben hätten mit ihrer Entscheidung den schwersten Schlag gegen Jugoslawien geführt, das unter den UNO-Sanktionen leide. Die Grenzen zu den serbisch besetzten Gebieten des Nachbarstaates sollten noch am Donnerstag geschlossen werden, dem Vizepräsidenten des selbsternannten Serbenstaates in Bosnien, Biljana Plavić, wurde die Einreise nach Serbien verweigert. In den letzten Tagen hatte Serbiens Präsident Slobodan Milošević Pale wiederholt vor der Ablehnung des Teilungsplans gewarnt. Die fünf Staaten der Kontaktgruppe, auf deren Initiative der Teilungsplan zurückgeht, hatten Serbien für den Fall der Ablehnung mit Sanktionen gedroht. Bislang hat der UN-Sicherheitsrat über diese Sanktionen noch nicht entschieden.

Am späten Mittwoch abend hatte das Parlament der bosnischen Serben mit einem einstimmigen Votum entschieden, die Bevölkerung in einem Referendum über den Genfer Teilungsplan abstimmen zu lassen. Dieses soll am 27. und 28. August stattfinden. Bei der Debatte war der Chef der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, ausführlich auf die Drohungen aus Belgrad eingegangen. Man sei nun möglicherweise gezwungen, den Kriegszustand auszurufen, Rationierungen vorzunehmen und eine umfassende Mobilmachung anzuordnen. Der Psychiater Karadžić verglich seine Republik mit einem Kind, das von seiner Mutter getrennt wird.

Auch die meisten Redner brachten ihre Enttäuschung über die Drohungen Belgrads zum Ausdruck. Der Abgeordnete Radosav Brdanin bezeichnete sie als einen „Akt des Hasses“ und lehnte auch versprochene russische Garantien ab. Eine Rednerin warf Milošević vor, daß er die Bildung eines großserbischen Staates verhindere. Die meisten Abgeordneten sind sicher, daß die Bevölkerung gegen den Teilungsplan stimmen wird. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die bosnischen Serben in einem Referendum mit großer Mehrheit gegen die Annahme des „Vance-Owen-Friedensplans“ ausgesprochen. Mit der Organisation des Referendums wurde Petko Cancar beauftragt. Er gilt als der Verantwortliche für die Vertreibung von 20.000 Muslimen aus der südostbosnischen Stadt Foca.

Die ersten Reaktionen auf die Entscheidungen von Pale und Belgrad fielen sehr zurückhaltend aus. Der Vizeaußenminister Rußlands, Tschurkin, bezeichnete die Ablehnung des Plans als „nicht endgültig“. Moskau hoffe, daß Belgrad seinen Druck auf die bosnischen Serben verstärke. In Washington sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, ein Referendum diene Pale nur dazu, Zeit zu gewinnen. In Bonn forderte ein Regierungssprecher Belgrad auf, den „Worten Taten folgen“ zu lassen. Es müsse geprüft werden, ob die Grenzen tatsächlich geschlossen werden. her Kommentar Seite 10

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