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Zu kurz gedacht -betr.: "Nach Husum tauchen", "Don Quichotte reitet in Nordfriesland", taz vom 29.7.94

Betr.: „Nach Husum tauchen“, „Don Quichotte reitet in Nordfriesland“, 29. 7. 94

Bau und Förderung von immer mehr Windkraftanlagen sind aus energiepolitischer Sicht zu begrüßen, aus Sicht des Landschaftsschutzes hingegen weniger. So einfach ist das und so schwierig.

Wann begreift die taz, daß es genau solche Widersprüche auszuhalten gilt, wenn man in der Politik oder im Journalismus mehr hervorbringen will als bloß Luftblasen? Auszuhalten und nicht wegzuhobeln!

Als jemand, der selbst Windbauern in der Familie hat, weiß ich um deren berechtigten Stolz auf ihr vorausschauendes Investitionsverhalten, daß sich jetzt in Heller, Pfennig und gutem ökologischen Gewissen auszahlt. Aber wenn sie sich über die Nörgler beschweren und die Zweitwohnungsbesitzer aus der Stadt, die auch hiergegen wieder etwas einzuwenden haben, dann sage ich: Jaja, aber ein bißchen recht haben sie schon auch.

„Planlose Zersiedlung“, „industrielle Überformung“ - sind solche Bedenken plötzlich gegenstandslos, weil sie von CDU-Landräten vorgebracht werden? „Änderung des Bundesbaugesetzes im Eilverfahren durchgepeitscht“ - wogegen sonst gerade die taz ihre höchstdero schärfste Empörung zu richten pflegt, das ist jetzt plötzlich zu begrüßen? Da habt ihr doch wieder etwas nicht zu Ende gedacht.

„Wildwuchs, die unkontrollierte Vermehrung regenerativer Energiequellen (ist) geradezu das Gebot der Stunde“, behauptet Marco. Also weg mit der Planungshoheit der Gemeinden? Da bin ich ja gespannt auf eure Argumentation, wenn es demnächst mal wieder um das Thema geht: „Keine Deponie im Süden des Landkreises Wüppedemoor, sondern anderswo“. Wird es dann auch heißen: „Der Widerstand der Gemeinden ist Kirchturmpolitik pur“? Werdet ihr auch dann das (in der Tat beschissene) St. Florians-Prinzip geißeln? In der Auseinandersetzung um den MVA-Standort rechts oder links des Köhlbrandes fandet Ihr genau dieses Prinzip doch ganz toll.

Windkraftnutzung ist eine vernünftige und unterstützenswerte Art zu zeigen, daß es auch sanfte Wege der Stromerzeugung gibt und daß sich sogar ein bißchen Geld damit verdienen läßt, Gutes zu tun. Stellt man jedoch die Landschaft mit diesen Dingern völlig zu, dann vertreibt man damit die Touris und spaltet das eigene Dorf. (...)

Ich glaube nicht, daß Kommentare wie dieser dazu beitragen, die notwendige und schwierige Akzeptanzdiskussion vor Ort voranzubringen. Ich kenne da oben Leute, die dies ständig versuchen. Die schätzen allerdings auch den Beitrag etwas realistischer ein, den die Windkraft zur Lösung unserer Energie- und Klimaprobleme leisten kann. Zum Zweck der CO2-Reduzierung müssen ja wohl ein paar größere Dinge in Bewegung kommen. Wer den Nordfriesen - die bestimmt mehr von Sturmfluten verstehen als irgendwer - weismachen will, ohne noch ein paar hundert Windmühlen würde demnächst ihr Land überschwemmt, mit Mann und Maus, Mercedes und Gülletank, der wird da kein besonders offenes Ohr finden.

Mit freundlichem Gruß

Jens R. Prüß

Betr.: Lokalkoloratur, 3. 8. 94

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