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Wenn die Kunst zu Potte kommt

■ Keramik in Bremen: Zwischen Kitsch und Kunsthandwerk

Wir kennen sie alle, die netten kleinen Niedlichkeiten aus Ton, die sich im Laufe der Geburtstage in unseren Setzkästen und Bücherregalen angesammelt haben. Von gutmeinenden FreundInnen liebevoll und stilsicher aus dem großen Angebot des Töpfermarktes ausgesucht, paßt das spielende Kätzchen doch wunderbar zu dem kleinen kopfstehenden Nilpferd, den beiden Namenstafeln mit unterschiedlichen Blumenranken und dem erst kürzlich auf den Markt gekommenen Klo-Schild „Hier wird im Sitzen gepinkelt“ - im Halbrelief.

Diese kleine Nabelschau zeigt, daß nicht nur Papier geduldig ist, sondern auch Ton. Die Tatsache, daß dieser Werkstoff hauptsächlich durch die verkitschten Endprodukte bekannt ist, macht es den KeramikkünstlerInnen nicht gerade leicht. Hilde Holstein, Bremens einzige Keramik-Galeristin, kann das nur bestätigen: „Bei Keramik denkt doch jeder nur an Pötte und keiner an Kunst.“ Nur Wenige wissen, daß es an der Hochschule für Künste (HfK), die damals noch Anstalt für Gewerbetreibende hieß, seit dem Gründungsjahr (1873) eine eigene Abteilung für Keramik gibt.

In den Anfängen stand allerdings nicht die freie Kunst im Vordergrund, sondern es sollte die Ästhetik der Gewerbeprodukte verbessert werden. Diese einseitige Ausrichtung wurde erstmals in den 50er Jahren aufgebrochen, gänzlich verabschiedet hat man sich von dem Konzept jeoch erst 1988, als aus der Fach- eine Hochschule wurde.

„Das Gefäß ist zwar das einzige autonome Thema der Keramik, aber heute muß man rausgehen aus den Ateliers und über Fassadengestaltung, Plätze und Räume nachdenken“, sagt Fritz Vehring, Professor für Keramik an der HfK Bremen. In seiner Klasse wird kaum noch an der Töpferscheibe gearbeitet. „Mit einem Klumpen Ton in der Einsamkeit zu kommunizieren, das will heute keiner mehr. Man setzt sich viel freier mit den Themen auseinander“, fügt er hinzu.

Ein Ergebnis dieser Auseinandersetzung war das Ziegel-Projekt „Vom Baustoff der Kunst“ im letzten Jahr. Dafür begaben sich die StudentInnen in die Niederungen der Werkhallen, in denen dieses keramische Ur-Produkt gefertigt wird. Die Ergebnisse wurden anschließend in einer Ausstellung präsentiert, wobei im Vorwort des Kataloges eingeräumt wird, daß manche der hilfsbereiten Ziegelei-MitarbeiterInnen sicher etwas erstaunt vor den Produkten stehen. So hatte Ingo Vetter zum Beispiel im ostfriesischen Nenndorf die Ziegelpresse kurzerhand so umgestellt, daß am Ende statt der Norm-Ziegel lauter Dackel und Hirsche herauskamen.

Daß dabei die Grenzen zu Bildhauerei, Plastik und Architektur verwischt werden, ist durchaus gewollt. Auch im nächsten Projekt wird der Grenzübertritt Teil des Programms. Vehring und seine StudentInnen werden sich dem Zusammenspiel von Malerei und Keramik widmen und dabei der Geschichte der Fayence in Bremen nachspüren.

Hinter diesem wohlklingenden Begriff verbirgt sich schnöder Schein - eigentlich wollten die Reichen und die Schönen Porzellan. Das hatten aber dummerweise die Chinesen erfunden, und zwar schon im 7. Jahrhundert. Als die ersten Stücke im 13. Jh. in Europa auftauchten, setzte eine fieberhafte Suche nach der Zauberformel ein. Es dauerte bis 1708, bis Johann Friedrich Böttger, der eigentlich für August den Starken in Dresden Gold zaubern sollte, gemeinsam mit demMathematiker Graf von Tschirnhaus in der Lage war, das Porzellan „nachzuerfinden“. Da aber zu Hofe und bei Bürgers der Wunsch nach dem weißen Scherben geweckt war, behalf man sich in der Zwischenzeit mit dem Pseudo-Porzellan Fayence. Der Trick besteht darin, daß durch Zumischung von Zinn die Bleiglasur nach dem Brand weiß wird, und dann ähnlich wie das kostbare Porzellan bemalt werden kann.

Bremens Beitrag zur Fayence-Geschichte ist eher bescheiden, es gab gerade mal zwei Manufaktürchen. Die erste war in Vegesack und mußte 1761, nach zehn Jahren Betrieb, die Ofentüren wieder schließen, da sich mit Zucker- und Backformen kein Taler machen ließ. In Lesum dagegen war man etwas schlauer, dort bot man den reichen Bremer Kaufleuten eine breitere Produktpalette. Sie konnten wählen zwischen einem Tafelservice mit Blumendekor, einer Vase mit höfischer Szene oder einem hannoverschen Humpen mit steigenden Roß, was dazu führte, daß sich die Manufaktur immerhin bis 1800 hielt. Danach hatte sich das Geheimnis des Porzellans in den Werkstätten rumgesprochen, wodurch die Produkte erschwinglicher wurden und die Fayencen letztendlich verdrängten.

So wie die Porzellan-Manufakturen subventionierte Betriebe der Fürstenhöfe waren, sind auch die KeramikerInnen heute auf „fürstliche“ Unterstützung angewiesen. „Die Existenz der freien Künstler wurde bis jetzt durch die Sammler gesichert. Aber in letzter Zeit wollen oder können sich das auch nur noch Wenige leisten“, stellt Fritz Vehring fest. Das liegt nicht an den Preisen, denn die haben sich nach Auskunft der Keramik-Galeristin Holstein in den letzten zehn Jahren fast nicht geändert. Anscheinend greifen SammlerInnen, wenn das Geld knapp wird, doch lieber zur „sicheren“ Kunst. Deswegen findet Vehring seine ehemaligen StudentInnen auch meistens in ganz anderen Berufen wieder, von der Keramik-Kunst leben können nur ganz wenige. Gudrun Kaatz

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