Auf der Jagd nach Kroko und Uran

■ Weniger Umweltstraftaten in Bremen – die Bremer Umweltkripo hat aber auch nur zwei Beamte, Frankfurt dagegen 30 / Wassersünder hat man soweit im Griff, doch Sonder- und Atommüllverschieber machen immer größere Sorgen

Vogel und Ginz treten immer dann auf den Plan, wenn in Bremen Kroko-Börsen verkauft werden oder, wie vor drei Jahren, Unbekannte des Nachts einen Wümme-Nebenarm stauen, um schlittschuhlaufen zu können. Harald Ginz (51) und Peter Vogel (54) sind Kriminalbeamte im Dienst der Umwelt. Bremen war 1975 das erste Bundesland mit einer Umweltkripo – allerdings blieb die bis 1980, als das Umweltvergehen zu Straftat erklärt wurde, eine Ein-Personen-Dienststelle.

In mehreren sechswöchigen Seminaren beim Bundeskriminalamt wurden die beiden heutigen Beamten fit gemacht. Themen: Gewässer, Abfall, Artenschutz, Beweissicherung und das schwierige EG-Recht. „Luft soll noch kommen“, meint Peter Vogel. Bisher konnte die Polizei mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Luftverschmutzung nicht viel anfangen – nicht zuletzt weil Luftverschmutzung schwer nachzuweisen ist.

Zwar können Vogel und Ginz heute auf gestärkte Umwelt-Kompetenz in der gesamten Polizei bauen: Bei rund 1.000 SchutzpolizistInnen wurde in den letzten fünf Jahren in Seminaren „das Gefühl dafür geweckt, was eigentlich relevante Umweltsünden sind.“ Doch im Vergleich mit anderen Bundesländern ist die Bremer Umweltkripo eine winzige Dienststelle. „In Berlin sitzen sechzig Leute in der Umweltkripo“, erklärt Vogel, „in Frankfurt haben wir dreißig KollegInnen. Da brodelt die Welt aber auch, wenn Sie zum Beispiel an die große chemische Industrie denken.“ Und Bremen? „Da sind wir hier im Garten Eden“.

Während in den übrigen Bundesländern die Umweltstraftaten steigen, sinken sie in Bremen und Bremerhaven deutlich, sagt die Statistik. Ein Grund könnte sein: Als zu Beginn der 80er Jahre in Deutschland die Umweltkripos entstanden, hatte Bremen schon einige Jahre Erfahrung und diverse „Altlasten“ aufgedeckt. Hatten die Bremer Umweltpolizisten 1982 noch 290 Fälle zu bearbeiten, lag die Anzahl verfolgter Umweltsünden im Jahre 1993 bei „nur noch“ 154.

„In der ersten Hälfte dieses Jahres hatten wir allerdings erstmals wieder eine Steigerung der Fälle um 14,9 Prozent“, so Vogel. Die einfache Erklärung: Seit dem 1. Januar ist das Abstellen von Autowracks am Straßenrand keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat und schlägt somit jetzt auch in der Statistik zu Buche.

Der Löwenanteil der Straftaten sind „kleine bis mittlere“ Fälle: Da wirft jemand einen Karton mit alten Leuchtstoffröhren in den Sperrmüll, eine Tischlerei verbrennt beschichtete Holzreste, eine Umzugsfirma wirbt mit einem ausgestopften Habicht im Schaufenster, der unter das Artenschutzabkommen fällt...

„Kleine“ Delikte werden in der Regel mit Bußgeldern zwischen 500 und 2.000 Mark bestraft. Eine Bremer Abfallfirma mußte da schon tiefer in die Tasche greifen: Sie hatte Sondermüll in großem Stil falsch deklariert und als einfachen Hausmüll auf der Deponie verschwinden lassen. Strafe: 50.000 Mark. „Manche Firmen bezahlen diese Bußgelder allerdings aus der Portokasse“, erklärt Vogel, „daran können wir leider auch nichts ändern“.

Noch führen die Gewässerverunreinigungen die Kriminalstatistik Bremens an. Mit 61 Prozent ist dieser Deliktbereich jedoch stark rückläufig. „Viele kleine Maßnahmen zum Gewässerschutz haben das bewirkt“, erklärt der Kommissar. „Landwirte dürfen nicht mehr überschüssigen Mist auf die Felder bringen, die rund 3.000 Abwassergruben beispielsweise in Kleingärten müssen durch ein Fäkalienfahrzeug abgefahren werden.“ Vor allem aber: „Betriebe wie die Bremer Wollkämmerei dürfen ihre Abwässer nicht mehr ungeklärt in die Weser einleiten.“ In zehn Jahren, meint der Mann von der Umweltkripo, könnten BremerInnen wieder in der Weser baden - ein wenig später vielleicht auch wieder daraus trinken.

Schöne Aussichten. Doch andere Umweltverschmutzungen werden bis dahin der Gewässerverschmutzung wohl den Rang abgelaufen haben. Heimlicher Anwärter ist die „Umweltgefährdende Abfallbeseitigung“, die schon jetzt ein Drittel aller Umweltstraftaten ausmacht. Der Grund liegt auf der Hand: „Weil die Entsorgung von Abfällen, insbesondere des Sondermülls, immer teurer wird, wird auch immer mehr geschummelt“, erklärt Vogel. „Von den Bremer Entsorgungsbetrieben gehen regelmäßig Hinweise ein, daß bestimmte Firmen wieder einmal versuchen, Farbschlämme, Kunststoff- oder chemische Abfälle als „Wirtschaftsgut“ auszuführen.“

Dabei sind die Kontrollmöglichkeiten der Bremischen Polizei in den Häfen sehr begrenzt. Meist ist es Zufall, wenn die Umweltkripo was erfährt. 43 Prozent aller Hinweise kommen aus der Bevölkerung, die restlichen von Verwaltungsbehörden, Entsorgungsbetrieben, Schutz- und Wasserschutzpolizei sowie von den Umweltschutzverbänden.

So setzt der Schutzmann auf Vorbeugung, informiert in der Presse darüber, was eigentlich strafbar ist: In der „Landwirtschaftlichen Rundschau“, im „Deutschen Kleingärtner“... „Oder ich schicke einen Brief an die Maler-Innung und sage: Leute, das Abkippen von Farbresten in den Gulli ist nicht mehr! Die Leute sollen uns nicht fürchten, aber sie sollen wissen, daß es uns gibt.“

Für die größte Furcht der beiden Beamten sorgt die zunehmende Nuklearkriminalität. Bisher habe es für solch gefährliches Material in Deutschland keinen Markt gegeben. In Bremen wurden im vergangenen Jahr zwei Fälle bekannt. Ein Händlerring hatte Uran angeboten. Als Vogel und Ginz einschritten, stellte sich heraus, daß es sich bei dem Material lediglich um schwach strahlenden Uran-Staub aus dem Abbau-Gebiet bei Wismut handelte. Klarer Fall von Betrug.

Dennoch: „Zur Zeit findet ein Umbruch statt. Die Spreu hat sich vom Weizen getrennt. Es sind zunehmend organisierte Strukturen und eine Verquickung mit der Wirtschaftskrimnalität erkennbar.“ Vogel hat in Eigenarbeit eine umfassende Datenbank zur Nuklear-Problematik angelegt, aus der er Anfragen von Verwaltungsbehörden und Schutzpolizei beantworten kann. „Wenn im Atombereich etwas passiert, müssen wir darauf vorbereitet sein. Denn falls waffenfähiges Material auftaucht, wird es hier richtig heiß!“

André Hesel