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Karadžić führt Arbeitsdienst ein

■ Für „Kriegswirtschaft“ plädiert der Präsident des bosnisch-serbischen „Parlaments“, Krajisnik

Sarajevo (AP/taz) – Slobodan Milošević ist es gelungen, Radovan Karadžić unter Druck zu setzen: Nur drei Tage nachdem die Regierung Rest-Jugoslawiens die Grenzen zu den serbisch besetzten Gebieten Bosniens schließen ließ, mußte der Serbenchef die Einführung eines Arbeitsdienstes ankündigen. Jeder arbeitsfähige Bürger, unabhängig von seiner Nationalität, werde Brigaden oder Kompanien zugeteilt werden. Wichtigster Einsatzbereich sei die Landwirtschaft, so solle die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden. Mit dem Embargo hatte Belgrad auf die Ablehnung des Genfer Teilungsplans durch Pale reagiert. Obwohl Lebensmittel nicht unter die Sanktionen fallen, gibt es in vielen Geschäften der bosnisch-serbischen „Republik“ inzwischen leere Regale.

Nach den Worten des Präsidenten des selbsternannten „Parlaments“ in Pale, Momcilo Krajisnik, ist es jetzt an der Zeit, zu einer „Kriegswirtschaft“ überzugehen. Damit nahm Krajisnik am Sonntag abend frühere Äußerungen zurück, in denen er angekündigt hatte, das „Parlament“ werde in den nächsten Tagen den „totalen Krieg“ ausrufen. Dies hätte die allgemeine Mobilmachung und Rationalisierungsmaßnahmen bedeutet. Dagegen bestritt Karadžić in einem Interview, daß er die totale Staatskontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft anordnen wolle. Auch vermied der Serbenchef jede Kritik an Belgrad. Er hoffe, daß es sich bei der Embargoentscheidung nicht um einen endgültigen Beschluß handle. Die Arbeitsdienstanordnung Karadžićs kam für viele Beobachter überraschend. Bisher war man davon ausgegangen, daß die serbisch-serbische Grenze an der Drina nicht zu überwachen sei und Schmuggler sich die Chance zu guten Geschäften in der bosnisch-serbischen Republik nicht entgehen lassen würden. Die Einführung des Arbeitsdienstes könnte so vor allem der „psychologischen“ Mobilisierung dienen.

In psychologischer Kriegführung versuchte sich am Wochenende auch der bosnische Präsident Alija Izetbegović. In einer Erklärung appellierte er an die Bevölkerung der serbisch-bosnischen Republik, sich von ihrer Führung loszusagen und für ein friedliches Zusammenleben aller Volksgruppen in Bosnien einzutreten: „Alle von euch, die keine Verbrechen begangen haben, sind willkommen.“ Und auch gegenüber Belgrad ging Izetbegović in die Offensive. Er forderte Milošević auf, die bosnischen Serben zu entwaffnen.

Der Luftangriff auf eine serbische Stellung bei Sarajevo, mit dem die Nato am Freitag abend auf die Entwendung mehrerer Waffen aus einem UNO-Lager reagiert hatte, wird in den USA als politischer Erfolg gewertet. Zwar habe die Zerstörung eines alten Panzerabwehrgeschützes das militärische Gleichgewicht nicht verändert. Der Luftangriff stelle aber einen wichtigen Bestandteil der Maßnahmen dar, mit denen Pale zur Annahme des Teilungsplans für Bosnien gezwungen werden soll. Die UNO habe an Glaubwürdigkeit gewonnen. Inzwischen haben die bosnischen Serben die entwendeten Waffen wieder zurückgegeben. her Seite 11

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