: Restgröße Kultur -betr.: "Wärmegewitter im Kultursommer", taz vom 27.07.94
Betr.: „Wärmegewitter in Kultursommer“, taz vom 27.07.94
Anläßlich der öffentlichen Verteilungseinwendungen der bremischen Museumsdirektoren gegenüber der Kultursenatorin und „ihrer“ Edward-Hopper-Ausstellung im Forum Langenstraße möchten wir weder gegen die Kulturförderung durch den Wirtschaftssenator noch für größere Ausstellungsetats unserer Häuser das Wort ergreifen. Sondern als Vertreter der Beschäftigten von Focke- und Überseemuseum wollen wir angesichts der proklamierten Bemühungen zur Steigerung der kulturellen Attraktivität Bremens durch innovative und spannende (Groß-)Ausstellungen, Musikveranstaltungen Theaterstücke usw. lediglich unserer Dokumentationspflicht nachkommen. Diese zeigt nämlich leider deutlich, daß Kultur in Bremen auch weiterhin als politische Restgröße betrachtet wird und über den Tag hinaus keine Perspektive bietet.
Ohnehin schon mit den geringsten Sach- und Personalhaushalten im nationalen Vergleich ausgestattet, seit 15 Jahren vom bremischen Sparrasenmäher verunstaltet und zurechtgestutzt, sind unsere beiden Häuser kaum mehr in der Lage, Kreativität in einem attrak- tiven sowohl informativen als auch unterhaltenden Ausstellungsprogramm umzusetzen, um somit auch zusätzliche Mittel der Wirtschaftsförderung einzuwerben. Anders als in einer Ausstellungshalle benötigt ein Museum mit breiten Bewahrungs-, Forschungs- und Präsentationsaufgaben eine funktionierende zeitgerechte technische, künstlerische und wissenschaftliche Infrastruktur. Diese ist nicht vorhanden bzw. befindet sich am untersten Grenzpunkt des Bundesniveaus. Darüberhinaus lassen schon das langjährige Reinregnen ins Focke-Museum und dessen eklatanter Platzmangel oder das Verrotten von über 100.000 Gegenständen, die das Übersee-Museum nicht ausstellen kann, und das abstoßende Äußere von Foyer, Treppenhaus oder Restaurant diese beiden bremischen Museen von vornherein ins Hintertreffen geraten, so daß diese Häuser aus den Planungen für ein überregional ausstrahlendes Ausstellungsangebot weitgehend ausgebootet wurden. Daß zudem diverse Schlüsselpositionen in Werkstätten oder die einzige Kassiererin z.T. über Jahre hinweg aus höheren politischen Gründen konsequent nicht besetzt werden, schließt den Bogen zum Nichtinanspruchnehmenkönnen von Wirtschaftsförderung. Dabei kann das ewig bemühte Gespenst von der personell aufgedunsenen und daher ineffizient arbeitenden Öffentlichen Kultur schnell durch ein Blick hinter die bremischen Kulturkulissen ins Reich der Legende verwiesen werden.
Nun kann natürlich die seit 2 1/2 Jahren amtierende Senatorin nicht für die desolate Situation verantwortlich gemacht werden. Sie kennt diese ja infolge der andauernden Versuche der Schadensbegrenzung zur Genüge. Jedoch trat sie 1991/92 ihr Amt auch mit dem Anspruch an, nicht nur mit Hilfe von kurzzeitigen Kulturspritzen die weitestgehend heruntergekommene bremische Kulturlandschaft zu erfrischen, sondern insbesondere durch neue unkonventionelle Wege den meisten vorhandenen kulturellen Orten das (Über-)Leben zu sichern, damit diese langfristig wieder einen leistungsfähigen Platz im Museums- und Ausstellungswettbewerb erlangen können. Ein Dialog mit den Museen und der Öffentlichkeit darüber scheint uns seit Jahren dringlich geboten zu sein; denn trotz aller Schwarzer-Peter-Spiele sitzen wir doch hier alle in einem Boot.
Die Vorsitzenden der Personalräte von Focke- und Übersee-Museum, Vera Stehmeier und Hartmut Roder
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