: Zwischen China und Taiwan taut es weiter
■ Gemeinsame Erklärung unterzeichnet / Blinde Passagiere und Fischereirechte
Taipeh (AFP/taz) – Von einem „Durchbruch“ und vom „Beginn einer neuen Ära“ in den Beziehungen zwischen der VR China und Taiwan sprachen Kommentatoren gestern in Taipeh, als die Vertreter beider Chinas eine gemeinsame politische Erklärung der Öffentlichkeit vorstellten. Damit erkennt die Pekinger Regierung – die seit der Flucht der Nationalisten vom Festland nach Taiwan vor fünfundvierzig Jahren offiziell am Alleinvertretungsanspruch für ganz China festhält – erstmals die taiwanesische Rechtsprechung an. Die Erklärung wurde am Flughafen der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh vom Vizevorsitzenden der chinesischen Vereinigung für Beziehungen über die Taiwan-Straits (ARATS), Tang Shubei, und seinem taiwanesischen Amtskollegen von der Stiftung für den Austausch über die Formosa-(Taiwan)- Straße (SEF), Chiao Jen-ho, unterzeichnet. Noch im vergangenen Jahr war der Versuch gescheitert, bei einem Treffen in Singapur den offiziellen politischen Dialog zu eröffnen.
Die nun erreichte Verständigung kam nach sechs Runden schwieriger Gespräche und einer Periode der Verstimmung zwischen Peking und Taiwan. Die Beziehungen zwischen beiden war besonders abgekühlt, nachdem Ende März 24 Taiwanesen bei einem Überfall auf ein Touristenschiff auf dem Qiandao-See in Südwestchina getötet wurden, was die Regierung in Peking zunächst zu vertuschen versucht hatte. Daraufhin waren zahlreiche inoffizielle Kontakte zwischen dem Festland und der Insel abgebrochen worden.
„Offen gesagt, wir haben in den Gesprächen mehr Zugeständnisse als Taiwan gemacht“, sagte Tang, der Taiwan als ranghöchster Pekinger Funktionär seit 45 Jahren besuchte. Die vorherigen Gespräche waren vor allem an Kontroversen über die Anerkennung der taiwanesischen Gerichtsbarkeit und der Souveränität der Insel gescheitert.
China erkannte am Sonntag erstmals die Rechtsprechung Taiwans in bezug auf Entführungsfälle und Fischereistreits an. Dies war zuvor aus Peking abgelehnt worden, da China Taiwan als „abtrünnige Region“ betrachtet. Tang machte keine Angaben darüber, ob sich nach der gemeinsamen Erklärung die Politik Pekings gegenüber Taiwan ändert.
Für die Regierung in Taipeh, die offiziell ebenso wie ihre Amtskollegen in Peking am Ziel einer Wiedervereinigung mit dem Festland festhält, inoffiziell jedoch ein zunehmendes Wohlwollen gegenüber jenen erkennen läßt, die die Unabhängigkeit Taiwans anstreben, stellte der Besuch Tangs eine delikate Herausforderung dar. Denn sie muß versuchen, eine Annäherung an China so zu gestalten, daß auf der Insel selbst nicht der Eindruck entsteht, Taipeh gebe dem Drängen Pekings auf baldige Wiedervereinigung unter kommunistischer Regie stückchenweise nach. Zugleich muß es ihr daran gelegen sein, soviel Rechtssicherheit wie möglich für die Geschäftsbeziehungen der Taiwanesen in China zu schaffen.
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