: Hungerstreik in Tegel vorerst ausgesetzt
■ Alte Schließzeiten bei Abkühlung / Justizverwaltung hält an Konzept fest
Der seit zehn Tagen anhaltende Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt Tegel ist gestern vorerst ausgesetzt worden, sagte gestern ein Insassenvertreter zur taz. Uta Fölster von der Justizpressestelle sprach von fünfzehn Gefangenen, die nach wie vor das Anstaltsessen verweigern.
In dem gestrigen Gespräch des kulturpolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert, mit den Gefangenen, hatten diese ihre Forderungen formuliert: Straffreiheit für alle Streikenden, Rückkehr der zwangsverlegten Insassenvertreter. Fölster zitierte gestern den stellvertretenden Leiter der Abteilung Strafvollzug, Wolf-Dieter Krebs, der bereits am zweiten Streiktag gesagt hatte: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Anstaltsleiter gleich mit der Disziplinarfuchtel kommt.“ Die Anstaltsleitung war nicht zu einer Stellungnahme bereit. Hinsichtlich der Forderung der Gefangenen, die Freistundenregelung der sogenannten „drogenbelasteten“ Häuser III und II an die der „drogenfreien“ Häuser V und VI anzugleichen, sagte Fölster: „Das wird nicht verhandelt werden.“ 1993 hatte die Regierungskoalition ein neues Konzept für den Tegeler Knast beschlossen. Seitdem sind die rund 1.200 Gefangenen in zwei Bereiche unterteilt: Die sogenannten Drogenkonsumenten wurden in die alten Häuser I, II und III verfrachtet, die angeblichen Nicht-Drogenkonsumenten in die Neubauten V und IV, um Drogenhandel und Geschäftemacherei einzudämmen. Den Ausfall der sonntäglichen evangelischen und katholischen Gottesdienste – einzige Gelegenheit für alle Insassen, sich zu sehen – begründete Fölster mit Krankheit des Pfarrers und fehlender Urlaubsvertretung.
Die einzigen Zugeständnisse an die unerträgliche Hitze im Knast – die Hitze war Auslöser für den Streik –, die Zellen in den Häusern I, II und III sonntags zusätzlich für 90 Minuten zum Lüften zu öffnen und kalten Tee auszuschenken, gelten weiterhin, so Fölster. Falls die Temperaturen aber wie angekündigt am Wochenende auf unter zwanzig Grad sinken, gelten wieder normale Schließzeiten. Barbara Bollwahn
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