Anekdötchen & Skurrilchen

■ In Newells „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ jagt ein Big den großen Bang

Im Kino gewesen. Von Herzen gelacht. Unter Ausblendung des Alltags konzentriert sich das Geschehen ganz auf die Entscheidung fürs Leben. Schon als geladener Hochzeitsgast versucht charming boy Charles den Big Bang zu umschiffen, indem er regelmäßig verpennt. „Wäre es dir ein Trost, wenn ich mich umbringe“, entschuldigt sich der verspätete Trauzeuge beim zukünftigen Ehemann und erklärt wenig später in seiner Ansprache: „Dies ist das zweite Mal, daß ich so was mache. Ich glaub', ich habe es damals gut gemacht. Jenes Paar redet jedenfalls noch mit mir. Leider ist es so, daß sie nicht mehr miteinander reden. Die Scheidung wurde vor kurzem rechtskräftig. Ich bin aber sicher, daß das nichts mit mir zu tun hat. Anscheinend wußte Paula bereits vor meiner Rede von Pierces Verhältnis mit ihrer kleinen Schwester. Überraschend war nur, daß er auch mit ihrer Mutter geschlafen hatte.“

Anekdötchen und Skurrilchen um Heirat und alles, was dazugehört, dominieren solche, die nichts zur Sache tun. Bildliche Durststrecken werden mit genialischen Dialogen wettgemacht. Hinter den Karikaturen schimmern aber die Porträts der Akteure durch; der Regisseur Mike Newell liebt sie zu sehr, um sie bloß zu skizzieren oder sich gar belustigt über sie zu erheben.

Von einer älteren Dame wird die mondäne Fiona gefragt: „Sind auch Sie schon verheiratet?“ „Nein.“ „Sind Sie etwa Lesbierin?“ Stirnrunzeln. „Nein, wie kommen Sie denn darauf?“ Mit wichtigtuerischem Blick trumpft die Alte auf: „Klingt jedenfalls besser als die Standardausrede ,Habe den Richtigen noch nicht gefunden‘.“ Auch beim Kalauern hält der Film die Balance, wie die schweißtreibende Trauung Nr.2 beweist. Der sich ständig versprechende Father Gerald bezeichnet gar die Braut Lydia als „awful wedded wife“ („schrecklich angetrautes Weib“) anstelle von „lawful“ („rechtmäßig“). Droht das Geschehen gänzlich ins Alberne abzudriften, sorgt das Drehbuch für romantisch-besinnliche Minuten. Hier jedenfalls findet die fünfte Hochzeit des Films statt, die Vermählung von Witz und Sentiment.

Herzerweichend sind Charles' nervöse Balzversuche anzusehen, lässig nimmt die coole Carrie die Zügel in die Hand. Angenehmerweise hält sich Andie MacDowell als Carrie ansonsten dezent im Hintergrund, ihre Souveränität erlangt die spröde Schönheit durch Selbstironie. Man höre und staune: Mit dreiunddreißig Männern will sie geschlafen haben, „weniger als Madonna hatte, doch hoffentlich mehr als Lady Di“. Der liebenswerte Charles wird vom Shooting- Star der Saison mit dem fein geschnittenen Mund, Hugh Grant, gespielt. Sein fürwahr atemberaubendes Aussehen läßt zeichensetzungsbewanderte Kritikerinnen ins Schwärmen kommen: „versehen mit einer dicken Tolle walnußbraunen Haars, das ihm wie ein dickes Komma in die Stirn fällt“.

Man weint allerdings doch anläßlich des dann mit Macht hereinbrechenden Todesfalls. Der lebenslustige und trinkfeste Gareth stirbt, nachdem er sich bei einem seltsam anzuschauenden Tanz im Schottenrock gänzlich verausgabt hat, an einer Herzattacke. Seine Beerdigung erweist sich als nachträgliche Trauung. In einer wunderschönen Rede, den Dichter H.W. Auden zitierend, offenbart sein langjähriger Liebhaber die homosexuelle Lebensgemeinschaft. „He was my North, my South, my East and West. My working week and my Sunday rest. My noon, my midnight, my talk, my song. I thought that love would last forever – I was wrong.“ Doch auch beim Trauern wird mit Witzen nicht gespart, „sein Rezept für Ente à la Banana nahm Gareth mit ins Grab“.

Schließlich kann Charles nicht umhin und gesteht der ollen MacDowell (Eifersucht) seine Liebe. Wolkenbruch und Donnerblitz. Im Schnellverfahren klärt uns der Abspann über den Werdegang der anderen Protagonisten auf, eine charlesmäßige Zukunft wartet auf Fiona. Anke Leweke

„Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ von Mike Newell. Buch und ausführender Produzent: Richard Curtis. Mit Hugh Grant, Andie MacDowell, Rowan Atkinson u.a. GB 1993, Farbe, 108 Minuten.