: Agrar-Treibhaus
Klima-Enquetekommission uneins über Gülle- und Stickstoffabgaben ■ Von Susanne Krispin
Berlin (taz) – „In unserer Agrarpolitik muß dringend eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen werden“, schimpft Lisel Hartenstein (SPD), Vizechefin der Klima- Enquetekommission des Bundestages. „Zu lange haben wir gegen die ökologische und ökonomische Vernunft gewirtschaftet.“ Das am Mittwoch von der Kommission vorgelegte Papier zum Schutz des Klimas durch ökologische Landwirtschaft und den Erhalt der Wälder geht ihr nicht weit genug. Immerhin trägt die Landwirtschaft mit 15 Prozent zu klimabelastenden Emissionen bei.
Zwischen Koalition und SPD war denn auch um die wichtigsten Punkte hart gefeilscht worden, was sich im Papier niederschlägt. Bei der Forderung nach einer Stickstoffabgabe beispielsweise plädiert die Koalition dafür, diese erst in fünf Jahren einzuführen. Und auch nur, wenn sich die Agrarüberschüsse nicht durch die EU-Agarreform abbauen lassen. Das Geld soll dann als direkte Einkommensübertragung an die Landwirte zurückfließen, die ökologisch wirtschaften, sagte der Kommissionsvorsitzende Klaus Lippold (CDU). Die SPD hingegen fordert die sofortige Einführung dieser Abgabe mit einer stufenweisen Anhebung bis zum Jahr 2000 auf vier bis fünf Mark je Kilogramm Stickstoffdünger.
Während die CDU Förderprogramme für die Verringerung der Gülleüberschüsse auflegen will, fordert die SPD eine Gülleabgabe von zwei Mark pro Kilogramm Gülle, sollte es bei der Überschußproduktion in der Landwirtschaft bleiben. Generell soll die Tierhaltung verringert werden und eine Obergrenze von 1,5 Großvieheinheiten pro Hektar festgelegt werden. Eine Großvieheinheit besteht beispielsweise aus einem Rind oder drei Zuchtschweinen. Nicht nur die Gülleproduktion macht die Viehwirtschaft problematisch. Aus Rindermägen entweichen weltweit jährlich 80 bis 110 Millionen Tonnen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre. Die Mägen der Widerkäuer sind damit mit die größte Methanquelle überhaupt.
Lisel Hartenstein, die in der Arbeit der Kommission einen „einzigen Schrei nach Reformen sieht“, kritisiert vor allem die positive Bewertung der EU-Agrarreform durch das Papier. Die von der SPD geäußerte Kritik an der Reform sei nur noch andeutungsweise enthalten. Nicht tragbar sei es, so Hartenstein, daß durch die EU-Reform nach wie vor die Ausgleichszahlungen an die Produktionsmengen gebunden sind und nicht an die ökologische Bewirtschaftung. Lediglich zwei Prozent der EU-Finanzmittel würden für ökologisches Landwirtschaften bereitgestellt.
Hartenstein monierte außerdem den Raubbau nicht nur in tropischen, sondern auch in nordischen Wäldern. Sie forderte daher, die 1992 in Rio nicht zustande gekommene Wald-Konvention voranzutreiben.
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