Sanssouci: Vorschlag
■ Fußlandschaften von Stefan Butt in der Galerie front-art
Umwickelte Endmoräne Foto: Stefan Butt
Man könnte behaupten, er wäre ein Fußfetischist. In seinem Werdegang vom Modedesigner zum Schuhcréateur ist Stefan Butt inzwischen ganz auf den nackten Fuß gekommen. Befreit von einzwängenden, zugeschnürten „Sicherheitstrakten“ – so sein Sammelbegriff für gewöhnliches Schuhwerk –, sind Füße für ihn eine „Landschaft, Berge und Täler, gefurcht und faltig, weich geschwungen und schroff, wie alles gezeichnet vom Leben“.
Fußlandschaften nennt Butt seine Zeichnungen und Dias. Was in den Skizzen, die vergleichsweise leblos wirken, an Ausdruck fehlt, zeigen die Fotografien um so effektvoller. Der Fuß ist eine Landschaft, wie im Panorama so auch im Detail. Das Gesamtkonzept macht die Ausstellung zu einem Ereignis mit bleibendem Erinnerungswert. Zunächst muß man die Kellerräume der Galerie barfuß betreten. Schuhe werden an den Nagel gehängt, worauf sinnbildhaft eine große Objektcollage aus abgelaufenen Schuhen beim Eintritt verweist. Das Wandeln auf Laub, nassem und trockenem Sand, auf Stein, Stroh und Holz sowie Torf kommt einer Fußzonenreflexmassage gleich. Mit den Augen betrachtet man oben die von Butt vorgegebenen Fußlandschaften, während unten in den Füßen die Nerven geweckt werden. Sie beginnen am Boden eine Landschaft aus Spuren zu formen, mit jedem Schritt, den man setzt.
Andererseits haben die schmutzigen Füße, auf denen man in jedem Fall die Galerie hinterher verläßt, einen sozialen Makel. Wer heute nackten Fußes durch die Straßen läuft, ist entweder arm oder tickt nicht mehr ganz richtig. Deshalb stecken unsere Füße meistens in mehr oder weniger vorteilhaften Gehhilfen.
Die Geschichte der Schuhmode ist sehr alt, aber die des Kultes um den nackten Fuß ist noch viel älter. Ihm will Stefan Butt auf die Spur kommen. Deshalb soll sich die Ausstellung nicht nur durch die Fußabdrücke der BesucherInnen verändern. Für den Künstler selbst ist sie eine Art work in progress, das einen weiteren Höhepunkt mit der Finissage am 27. August erreichen soll. Soviel sei verraten: wenn man Glück hat, verläßt man die Räume dann wieder mit sauberen Füßen! Petra Welzel
Bis 27.8., im front-art, Do. und Sa. 15–18, Fr. 18–21 Uhr, Kollwitzstraße 65, Prenzlauer Berg.
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