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Grüne schützen Dunkelbraunen

■ Demonstration gegen Nazi-Anwalt Jürgen Rieger / Polizei verhinderte Hausbesuch / Heute soll's in Hamburg ruhig bleiben Von Clara Odenthal

Ungewohnter Anblick für die BlankeneserInnen: Ein Zug von 800 vermummten DemonstrantInnen bewegte sich gestern lautstark durch die sonst so idyllische Friedhofsruhe des Nobelviertels. Mütter brachten ihre Kinder in Deckung und manch einer machte einen langen Hals vom Balkon. Dabei gab es keinen Grund zur Furcht, die Straßen waren bombensicher – hinter jeder Ecke und jeder Hecke wachte Hamburgs Polizei. Sie beschützte Anlaß und Ziel des Protestzugs: Kanzlei und Wohnhaus des Nazi-Anwalts und braunen Chef-Ideologen Jürgen Rieger in der Auguste-Baur-Straße.

„Kein Rudolf Heß Gedenkmarsch 1994“ forderten die „Antifaschistische Aktion“ und „Aktion –94“ anläßlich des heutigen Todestages des Hitler-Stellvertreters. Ihre Aufforderung: „Gegen die Drahtzieher im braunen Netz vorgehen“. Und als solchen kann man Anwalt Rieger getrost bezeichnen: Er verteidigt nicht nur prominente Alt- und Neonazis, sondern wirkt auch in zahlreichen rechtsextremen Organisationen: Unter anderem als Vorsitzender der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung, als Vordenker des „Nordischen Rings“, als Mitglied der rechtsradikalen Nationalen Front (NF); als Jürgen Riehl schrieb er das Buch „Funkenflug - Handbuch für nationale Aktivisten“.

Zur Konfrontation kam es nicht: Die Demonstration wurde von einem massiven Polizeiaufgebot vor der Auguste-Baur-Straße gestoppt. „Schutz der unantastbaren Privatsphäre“, so die Begründung für die Umleitung des Zugs. Auch eine einstweilige Verfügung beim Oberverwaltungsgericht machte den Weg nicht frei. So konnten die kurzgeschorenen und feisten Rieger-Jünger unbehelligt in dessen Vorgarten lungern und JournalistInnen und PolizistInnen fotografieren.

Für heute sei in Hamburg mit keinem großen Aufmarsch von Rechtsradikalen zu rechnen, so die Innenbehörde. Man erwarte allenfalls „kleine Aktionen“ (Transparente, Flugblätter). In Schleswig-Holstein wurde die Bereitschaftspolizei in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, weil es trotz des Verbots der Neonazi-Kundgebung in Heide zu Zwischenfällen kommen könne, so das Kieler Innenministerium.

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