Vulkan größter deutscher Reeder

■ Vulkanverbund erreichte, was die Treuhand verhindern wollte (s.S. 6)

Vor einem Jahr war der Vulkan-Chef Friedrich Hennemann schwer geknickt: Die Treuhand-Anstalt entschied, daß die Deutsche Seerederei (DSR) an zwei Hamburger Kaufleute gehen sollte, Horst Rahe und Nikolaus Schues. „Das war der schwärzeste Tag seiner Karriere“, schrieb der Spiegel damals. Denn Hennemann, der nur weltumspannend denken kann („anders sind wir den Japanern nicht mehr gewachsen“), hatte seinen Werftverbund - den größten Deutschlands - um einen Reederei-Verbund ergänzen wollen.

Auf kleiner Ebene und mit höchst umstrittenen Senats-Krediten hatte das Modell in Bremen den Aufstieg des Vulkan von der fast bankrotten Werft zum großen Konzern in den 80er Jahren begleitet: Die Werft baute Schiffe, die bremische Staats-Reederei „Senator-Linie“ kaufte sie und ließ sie „Round the World“ fahren.

Für das 1993 erreichte Niveau des Werft-Verbundes, der große ostdeutsche Schiffbau-Kapazitäten geschluckt hatte, war die kleine defizitäre Senator-Linie aber kein adäquater Partner mehr. Zusammen mit der Rostocker DSR hätte Hennemann die größte deutsche Reederei unter die Konzern-Kontrolle bekommen - wenn die Treuhand mitgespielt hätte. Aber sie machte einen Strich durch die Rechnung. „Das maritime Konzept ist damit tot“, sagte Hennemann damals.

Die Spekulationen, wer das Geschäft vermasselt hatte, schossen hoch. Die Treuhand favorisiere Mittelständler, sagten die einen. Die Hamburger Hapag-Lloyd-Lobby wolle den Bremern den Aufstieg um jeden Preis vermasseln, sagten die anderen: Der Hapag-Aufsichtsrats-Chef sitzt im Verwaltungsrat der Treuhand ebenso wie ein der Hapag verbundener Hamburger Wirtschaftsprüfer.

Aber auch auf der anderen Seite gibt es Connections: eine Münchener Consulting Group ist seit Jahren die wichtigste Unternehmensberatung für den Vulkan und sitzt gleichzeitig in der Werft-Abteilung der Treuhand.

Hennemann schaltete schnell um und begann, mit den beiden Hamburger Kaufleuten Kontakte zu suchen. Die nämlich waren vor allem im Bereich der Immobilienspekulation und der Schiffsbeteiligungen bekannt, mehrfach waren Geldanleger, die bei Rahe alles verloren hatten, vor Gericht gegangen. An dem DSR-Coup interessierte sie offensichtlich vor allem der Immobilien-Anteil rund um Rostock herum.

Auf dieser Basis wurde offenbar bald eine Einigung mit dem Bremer Werftverbund gefunden: schon im Spätherbst 1993 beschlossen die Hamburger Kaufleute, den Hennemann-Intimus, Vulkan-Aufsichtsrat und früheren Bremer Finanzsenator Claus Grobecker, zum Arbeitsdirektor an die Spitze der DSR zu berufen. Arbeitsbeginn. 1. Januar 1994.

Ausgerechnet rückwirkend zu diesem Datum haben nun auch die Schiffahrtslinien der Senator-Linie und der DSR fusioniert - und Freidrich Hennemann hat errreicht, was er wollte.

Neue Schiffe werden in Ostdeutschland gebaut

Die neue Reederei hat zur Zeit 40 eigene und gecharterte Schiffe in Fahrt und betreibt damit 20 Liniendienste. In Zukunft sollen mehr als 50 Schiffe für die DSR Senator Line fahren und jährlich rund eine Million Standardcontainer (TEU) befördern. „In der Weltschiffahrt setzt sich der Konzentrationsprozeß fort“, sagte Rahe.

Nur durch Kooperation und Zusammenarbeit könnten die europäischen Reedereien der Konkurrenz durch die asiatischen Schiffahrtslinien standhalten, so Rahe. Das neue Unternehmen wolle Gespräche mit anderen Reedereien aufnehmen, um weitere Partner zu gewinnen. Die eigenen Schiffe sollen „auf absehbare Zeit“ unter deutscher Flagge im Zweitregister fahren.

Durch die Kosten für die Umstrukturierung werde die Reederei 1994 noch mit einem zweistelligen Millionenverlust abschließen, sagte Rahe. Bereits 1995 sollen die Verluste deutlich reduziert und spätenstens 1996 die Gewinnzone erreicht werden. Neue Containerschiffe will die DSR Senator Line auf den ostdeutschen Werften bauen lassen, wenn diese sich als konkurrenzfähig erweisen. K.W.