: In Arbeitsgruppen einkaufen
■ Die Food Coop Wedding West ist eine von rund 70 Food Coops in Berlin / Ziel ist es, sich direkt mit Produkten aus dem ökologischen Landbau gesund und preiswert zu ernähren
In den beiden kleinen Räumen im Seitenflügel des Hinterhauses riecht es schon ganz gesund und nach „Bio“. „Das kommt, glaube ich, von den Getreidesäcken, die hier rumstehen“, sagt Olaf und streckt schnuppernd die Nase in die Luft. Regal hängt neben Regal, hinten rumoren zwei Kühlschränke, der Boden ist vollgestellt mit Getränkekisten und Getreidesäcken. Auf den Regalbrettern drängeln sich Dutzende von Honiggläsern neben Päckchen mit Schokolade. Daneben stapeln sich Tütchen mit Körnern, Reis und Nudeln, und in die Ecke gequetscht sind gerade noch Haarshampooflaschen und Seife zu erkennen. Was aussieht wie eine kleine große Vorratskammer, ist auch eine kleine große Vorratskammer. Der Unterschied: Alles, was hier neben-, über- und untereinandergestapelt ist, sind Bioprodukte, und die 16 Quadratmeter im Weddinger Hinterhaus gehören zu einer Food Coop.
Die Food Coop Wedding West ist eine von rund siebzig Food Coops, die es mittlerweile in Berlin gibt. Sinn und Zweck der Food Coops ist es, sich mit Produkten aus dem ökologischen Landbau gesund zu ernähren, den ökologischen Landbau dadurch zu unterstützen und die Geld kostende Zwischenstation Bioladen auszulassen. „Es verdient niemand etwas daran“, sagt der 27jährige Food Coopler Lutz Helmke, „alles wird ohne Profit zum Einkaufspreis nur an Mitglieder verkauft.“ Lutz hat vorher auch im Bioladen eingekauft, „aber die Food Coop ist oft halb so teuer. Außerdem hat man näheren Kontakt zum Bauern. Ich weiß, wo das, was ich esse, herkommt.“ Und es wird Müll vermieden. „Jeder füllt sich das, was er braucht, in mitgebrachte Behälter ab“, erklärt Lutz.
Nachteil: Was an Geld gespart wird, zahlt man an Zeit drauf. Wo es keinen verantwortlichen „Ladenbesitzer“ gibt, müssen die Mitglieder die Arbeit machen: Waren bestellen, Sachen in die Regale räumen, Preise draufschreiben und selber abwiegen. Lutz schätzt, daß er zum „Einkaufen“ etwa doppelt soviel Zeit wie vorher braucht. „Wir haben spezielle Arbeitsgruppen für Bestellung, Kasse und Koordination gegründet.“ Bestellt werden kann alles, und zwar direkt beim Biobauern aus Brandenburg oder beim Biogroßhandel. Der Biomarkt ist groß, „und mittlerweile gibt es sogar schon so bio-untypische Sachen wie Chips. Ich bekomme hier alles“, sagt der 27jährige Olaf.
Mit den Bioläden ist man sich nicht so ganz grün, erzählt Lutz, „die sehen uns als Konkurrenz, aber das ist Quatsch. Im Bioladen kaufen eben die ein, die wenig Zeit, aber Geld haben, und in einer Food Coop sind die mit wenig Geld, aber mehr Zeit.“
Olaf und Lutz gehören zu den Gründungsmitgliedern ihrer Food Coop. Angefangen hat alles 1987. „Wir wollten nicht nur reden, sondern auch mal was machen“, erzählt Lutz, „und da haben wir mit ein paar Freunden die Food Coop gegründet.“ Mittlerweile hat die Food Coop Wedding West 40 Mitglieder. Die meisten sind Studenten. Durchschnittsalter: Ende zwanzig. „Aber wir haben auch einen, der schon 67 ist“, sagt Lutz.
Es ist Donnerstag abend. Auf den Regalbrettern links vom Eingang erinnern bloß drei alte Porreestangen und eine Tafel, auf der Obst- und Gemüsepreise stehen, an das, was normalerweise hier steht. „Im Moment sieht alles ein bißchen leergeräumt aus“, sagt Lutz, während er ein paar leere Kisten zusammenräumt, „die neue Lieferung mit frischen Sachen kommt immer am Freitag, dann sind alle Regale wieder voll.“ Und Freitag abend ist auch „Einkaufszeit“. Etwa zwei Stunden ist der „Laden“ für alle Mitglieder zum Einkaufen geöffnet.
Zusätzlich zu dem, was jeder für seine Bioprodukte zahlen muß, fällt pro Monat ein Mitgliedsbeitrag von zehn Mark für die Raummiete und andere Ausgaben an. „Vor einiger Zeit hatten wir zum Beispiel Mäuse“, erinnert sich Lutz, „da mußten wir dann jede Menge wegschmeißen.“ Es wurde aber gleich eine Spezialgruppe gegründet. Food-Coop-Mitglied Bernhard war als „Mäusepolizei“ zuständig für die Mausefallen.
Olaf und Lutz sind seit sieben Jahren dabei und überzeugte Food Coopler. „Das Gute ist ja auch, daß du zum Beispiel nachts einkaufen kannst“, meint Olaf, „jeder hat einen Schlüssel, und wenn dir abends vor dem Fernseher plötzlich einfällt, daß du noch Bier brauchst, fährst du einfach hierher und holst es dir.“ Spricht's und nimmt noch einen Schluck aus seinem Biobier Marke „Pinkus Pils“. Patricia Pantel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen