■ Das Portrait
: João Bernardo Vieira

Dem Präsidenten stand die Verblüffung ins Gesicht gschrieben. João Bernardo Vieira hatte seinen Wählerausweis vergessen, und ohne diesen, so bedeuteten ihm die Wahlhelfer, dürfe er nicht abstimmen. Also schickte er seine Frau zurück in den Präsidentenpalast, um das Dokument zu holen. Vieira wartete unterdessen, nervös auf und ab gehend. Erst nachdem er den Ausweis vorgelegt hatte, durfte er seine Stimme abgeben.

Vieira 1984, damals Diktator, heute Demokrat Foto: dpa

Noch vor kurzem wäre diese Szene undenkbar gewesen. Vieira war Präsident von Guinea-Bissau, und er regierte diktatorisch. Nun ist Vieira immer noch Präsident, jedoch demokratisch legitimiert. Aus den ersten Präsidentschaftswahlen in der Geschichte der einstigen portugiesischen Kolonie am letzten Sonntag ging er als Sieger hervor. Nach dem am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Endergebnis erreichte er 52 Prozent der Stimmen, sein Gegenkandidat Kumba Ialá 47 Prozent.

Einerseits kann Vieira nun beruhigt regieren: Auch bei den Parlamentswahlen einen Monat zuvor erzielte seine einst marxistische Afrikanische Unabhängigkeitspartei von Guinea und Kap Verde (PAIGC) 64 von 100 Sitzen. Andererseits hat ihm sein nur knapper Sieg gezeigt, daß er nicht der unumstrittene Landesvater ist, als der er sich bisher präsentiert hat. Mit Hilfe des Bildes der PAIGC als führender Kraft im Befreiungskampf gegen die Kolonialherren ist es dem 55jährigen gelungen, seinen Präsidentensessel zu behalten. Am 24.9. 1973 erklärte die damalige Befreiungsbewegung PAIGC einseitig die Unabhängigkeit des westafrikanischen Landes von Portugal. Der damalige Guerillakämpfer João Bernardo Vieira verlas die Unabhängigkeitserklärung. Doch der Kampf sollte noch knapp ein weiteres Jahr dauern, bis die Nelkenrevolution in Portugal auch Guinea-Bissau die Unabhängigkeit brachte. Seitdem wird das Land von der PAIGC regiert. Vieira stürzte 1980 den damaligen Präsidenten Luis Cabral. Vieiras einstiger Gefährte im Befreiungskampf lebt heute im Exil in Lissabon.

Vieira hat es in den folgenden Jahren immer verstanden, sich potentielle Rivalen vom Hals zu halten. Entweder trieb er sie ins Exil, oder er ließ sie umbringen. Sein Gegenkandidat Ialá hatte im Wahlkampf einen „demokratischen Neuanfang“ versprochen. Doch die demokratischen Zeiten werden nach dem Willen der Wähler mit dem einstigen Diktator Vieira beginnen. Theo Pischke