■ Normalzeit
: Little Italy hinter Köpenick

Die aufs malerischste mit Kanälen verbundene Bootsbesitzer- Datschensiedlung Neu-Venedig, an der Müggelspree zwischen Dämeritz- und Müggelsee, entstand in den dreißiger Jahren als Arbeitsdienstmaßnahme.

1973 wurde dort und drumherum per DDR-Ministerratsbeschluß weiteres Wochenend- Siedlungsgebiet ausgewiesen. Die Gemeinde Rahnsdorf vergab es an verschiedene Betriebe. An Wassersport interessierte Mitarbeiter machten sich sodann daran, das Land trockenzulegen, indem sie Kanäle aushoben, 5.000 Erlen fällten und meterweise beim Forst ablieferten, Eisenbahnschienen und -schwellen für die Uferbefestigung organisierten und schließlich das ganze Areal mit 30.000 Kubikmeter Erde auffüllten. Zum Schluß wurden noch 30 Brunnen ausgehoben und ein Gemeinschaftskredit zum Bau von 50 Wochenendhäusern aufgenommen. Dann konnten die Siedler, die diesen Arbeitseinsatz durchgestanden hatten, endlich ihrem Bootshobby nachgehen. Das „Datschengesetz“ der Bundesregierung sorgte unlängst dafür, daß das – pachtzinsgünstig – auch bis zum Jahre 2004 so bleibt.

Das dachte jedenfalls die im Verein „Energie e.V.“ organisierte Gemeinschaft der Wasserfreunde in der Datschengemeinschaft Rahnsdorf-Süd. Doch am 22.April sperrte eine nach der Wende aus dem Westen zurückgekehrte Anwohnerin ihnen den Kanal zur Müggelspree mit Eisenstangen ab: Sie fühlte sich durch die Boote gestört. Die Siedler waren empört, Radio 100,6 schaltete sich ein und ließ einen Sprecher des Umweltsenators erklären: Laut Wassergesetz ist eine solche Absperrung genehmigungspflichtig, sie wäre nie genehmigt worden und muß also in jedem Fall wieder entfernt werden. Es handelt sich dabei um eine öffentliche Wasserstraße. Daraufhin kam es zu einer Anhörung, wobei die Anwohnerin einen Termin verstreichen ließ. Dem folgte eine Aufforderung, die Sperre abzubauen. Dagegen legte sie beim Verwaltungsgericht Widerspruch ein. Das Gericht lehnte diesen jedoch ab.

Am 21. Juli ging das Urteil an den Umweltsenator. Der konnte nun die Maßnahme vollziehen, hatte jedoch zuvor noch einen Kostenvoranschlag einzuholen: 3.000 DM sollte das Abräumen der Sperre kosten, zuzüglich einer Ordnungsstrafe in Höhe von 500 DM. Mitte August wird es nun wohl soweit sein. Dann haben die 50 Boote der Datschensiedlung Rahnsdorf-Süd wieder Anschluß an die Müggelspree. Durch die Schikane der Anwohnerin ist ihnen jedoch ein Vierteljahr Bootsfahr-Vergnügen, und das mitten im Sommerurlaub, versaut worden. Dafür ist zwar ihr Vereinsleben wieder reger geworden (eventuell wird man eine Siedlungschronik zusammenstellen, und fast täglich kommt der Wasser-KOB vorbei und erkundigt sich nach dem neuesten Stand der Dinge), aber ein unmißverständliches Zeichen gegenüber der Anwohnerin, daß man sich nicht alles gefallen läßt, hält der „Energie e.V.“ doch für sinnvoll.

Man überlegt deswegen, ob beziehungsweise wie man sie auf Schadenersatz (Schmerzensgeld?) verklagen und um welche Summen es dabei gehen könnte. Wer dazu Ideen und Erfahrungen hat, sollte sich bei den Vereinsleuten melden. Deren aktivster Teil trifft sich jeden Freitagabend im Restaurant „Lagune“ bei Neu-Venedig in Wilhelmshagen. Helmut Höge

Wird fortgesetzt