: Albanische Griechen vor Gericht
■ Ex-Häftlinge: Schauprozeß soll von Innenpolitik ablenken
Wien (taz) – Heute stehen in Tirana fünf griechischstämmige Politiker vor Gericht. Der Vorwurf: logistische Vorbereitungen für Terroranschläge gegen die staatliche Souveranität Albaniens. Den beiden Hauptangeklagten wird vor allem der blutige Anschlag auf eine Grenzkaserne vom 10. April zur Last gelegt, bei dem zwei albanische Rekruten ums Leben gekommen waren. Als Vorsitzende der albanisch-griechischen Kulturvereinigung „Omonia“ (Einheit) sollen Theodoros Vezianis und Evangelos Papachristou nicht nur heimliche Kontakte zur „Befreiungsfront für Nordepirus“ unterhalten, sondern auch die Planung von Anschlägen übernommen haben. Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihnen mindestens zehn Jahre Gefängnis. Die Todesstrafe wird nicht ausgeschlossen.
Griechenland hat bei der albanischen Regierung bereits offenen Protest eingereicht, rechte Athener Parlamentsabgeordnete fordern für den Fall einer Verurteilung den Abbruch der diplomatischen Beziehungen – ein neues Pulverfaß droht im bisher vergleichsweise ruhigen Süden des Balkans zu entstehen. Denn seit langem klagen die etwa 150.000 Griechen in Albanien über Zwangsassimilierung und Verfolgung. Tirana beschuldigt dagegen Athen, „einen nicht vorhandenen Konflikt bewußt zu schüren“. Denn im Land der Skipetaren wird mit Argwohn zur Kenntnis genommen, daß die „Befreiungsbewegung für Nordepirus“ in Griechenland legal arbeitet, ungehindert publizieren kann und sogar einen Propagandasender unterhält.
Dabei bekennt sich nur der radikale Flügel der „Befreiungsbewegung“ zum Terror. Und auf wessen Konto der Anschlag auf die albanische Kaserne ging, ist bis heute ungeklärt. Menschenrechtsgruppen wie die „Vereinigung der ehemaligen politischen Häftlinge“ sehen in der Verfolgung der Omonia-Aktivisten demnach einen „Schauprozeß“, um von inneren Problemen abzulenken. Denn der Prozeß gegen Vezianis und Papachristou ist nicht das einzige große juristische Spektakel in Tirana. Vor Gericht stehen auch die Anführer eines landesweiten Hungerstreiks ehemaliger politischer Häftlinge. Ihnen wir vorgeworfen, mit ihrer Aktion die Demokratie destabilisiert zu haben. Karl Gersuny
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