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Benzin aus Serbien, Öl aus der Krajina

■ Trotz Belgrader Embargos erhalten die bosnischen Serben weiter Unterstützung

Berlin (taz) – Der Handel zwischen der „Bundesrepublik Jugoslawien“ und der „Serbischen Republik“ in Bosnien-Herzegowina geht trotz des offiziellen Embargos munter weiter. Wie die Washington Post am Samstag berichtete, verkehren nach wie vor Busse, in der Grenzstadt Zvornik werden Melonen aus Serbien gehandelt, und im nahen Bijeljina mangelt es einzig an Joghurt. Zudem sei der schwarze Markt in den serbisch besetzten 70 Prozent Bosniens nach wie vor gut mit Benzin versorgt. Und auch Unterbrechung der Telefonverbindungen zur „Serbischen Republik“ sei lediglich Makulatur, da alle wichtigen Anschlüsse in der „Serbischen Republik“ Belgrader Nummern hätten. Auffällig sei lediglich, daß die Preise seit Verhängung des Belgrader Embargos am 4. August in den besetzten Teilen Bosniens merklich gestiegen seien.

Vor 10 Tagen hatte Serbiens Präsident Slobodan Milošević, der starke Mann der seit über zwei Jahren unter UN-Sanktionen stehenden „Bundesrepublik Jugoslawien“, Sanktionen gegen die bosnischen Serben verhängt. Diese hatten sich zuvor erneut geweigert, den internationalen Teilungsplan für Bosnien zu unterschreiben. Die Maßnahme hatte Spekulationen über einen möglichen Bruch zwischen Milošević und seinem bisherigen Schützling Karadžić ausgelöst. Doch bisher scheinen außer einigen serbisch-bosnischen Politikern nur Hilfskonvois am Grenzübertritt gehindert worden zu sein.

Die „Serbische Republik“ erhält nach Angaben von Beobachtern zudem nach wie vor täglich bis zu 500 Tonnen Erdöl – und zwar aus dem serbisch besetzten Ostslawonien im Norden Kroatiens. Die Machthaber in der dortigen „Serbischen Republik Krajina“ stehen zwar fest zu Belgrad, der Krajiner „Präsident“ Milan Martić war während des Wahlkampfes im Dezember vergangenen Jahres sogar offen von Belgrad protegiert worden. Aber die Krajina-Führung weiß, daß sie im Fall einer militärischen Niederlage der bosnischen „Brüder“ verloren wäre. Denn die einzige Landverbindung zwischen ihrem Gebiet und dem „Mutterland“ verläuft durch den von diesen gehaltenen Korridor durch die nordbosnische Pozavina, der seit Monaten immer wieder von bosnischen Truppen angegriffen wird.

Angesichts dessen erscheint die anfängliche Euphorie über das Belgrader Embargo gegen Karadžić verflogen zu sein. Noch Anfang der letzten Woche hatte das US-Außenministerium vermeldet, die Grenze zwischen Serbien und der „Serbischen Republik“ sei tatsächlich geschlossen. Der russische Außenminister Witali Tschurkin forderte daraufhin, die UN-Sanktionen gegen Rest-Jugoslawien umgehend aufzuheben. Doch schon kurz danach waren erste Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Belgrader Embargo-Beschlusses aufgekommen, als Milošević sich weigerte, die serbisch-bosnische Grenze von internationalen Beobachtern kontrollieren zu lassen. Rüdiger Rossig

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