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Na bitte, es geht doch

■ Polizei ließ am Wochenende Neonazis keine Ruhe / „Aktionswoche“ ist aber noch nicht zu Ende

Berlin (dpa/AP/taz) – Allerorten attestierten sich gestern Polizei und Staatsschutz glänzende Arbeit. Dank ihrer Präsenz ist es den Neonazis am Wochenende nirgendwo gelungen, eine Gedenkveranstaltung für Rudolf Heß, den einstigen Stellvertreter Adolf Hitlers, abzuhalten. Mit Kontrollen auf den wichtigsten Zufahrtsstraßen zu möglichen Treffpunkten überall in Deutschland verhinderte die Polizei am Samstag, dem ersten Tag einer von den Neonazis geplanten „Aktionswoche“, jeden Aufmarsch.

Vor der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar nahm sie sechs Rechtsradikale fest; sie hatten verfassungsfeindliche Symbole und Aufkleber bei sich. In der KZ- Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin wurden zwei Skinheads festgenommen, die Messer und Hämmer bei sich trugen. In Berlin wurden am Samstag kurzfristig 48 Rechtsradikale in Gewahrsam genommen.

Dem Chef der hiesigen Neonaziszene, Arnulf Priem, werden die „Bildung eines bewaffneten Haufens“ (§ 123 StGB) und wiederholte Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Der Jungnazi Oliver W. soll wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft bleiben. Die beiden und weitere 28 Neonazis befanden sich in Priems Wohnung, als ein Kamerateam aus einem der Fenster heraus mit einer Zwille beschossen wurde. Bei der Wohnungsdurchsuchung förderte die Polizei neben den Zwillen auch Stahl- und Glaskugeln, Molotowcocktails, bereitgelegte Dachziegel, Messer und Dolche sowie umfangreiches Propagandamaterial zutage. Die Haftprüfung gegen Priem und W. dauerte bei Redaktionsschluß noch an. An Gegendemonstrationen an mehreren Orten beteiligten sich etwa 4.000 Menschen.

Auch die luxemburgische Polizei hatte am Samstag alle Hände voll zu tun. Vor den massiven Kontrollen in Deutschland waren rund 100 Neonazis dorthin ausgewichen und marschierten mittags vor der deutschen Botschaft auf. Sie zeigten den Hitlergruß und pöbelten Passanten an. Binnen einer Stunde wurden sie von Polizisten gefesselt und in Busse verfrachtet. Kleinere Grüppchen zogen derweil noch durch das Stadtzentrum, wurden aber ebenfalls verfolgt und festgenommen. Um Mitternacht schob die luxemburgische Polizei sie in Bussen und Pkws über die Grenze ab. Deutsche Grenzer nahmen ihre Personalien auf und ließen sie dann weiterfahren. Nur der Organisator des Ausweichtreffens, Siegfried Borchardt, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen FAP, wurde dem Haftrichter vorgeführt (bis Redaktionsschluß ohne Ergebnis).

Trotz des Scheiterns der rechten Aufmärsche bleibt die Polizei weiter in Alarmbereitschaft. Der von den Neonazis begangene Todestag von Rudolf Heß jährt sich am Mittwoch. Als einziges Bundesland hat Brandenburg für diese Woche ein generelles Versammlungsverbot erlassen. ak/roga Seite 4, Kommentar Seite 11

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