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Milde Töne und harte Schläge

■ Am koreanischen Nationalfeiertag bietet Südkoreas Präsident Kim Jong Sam dem Norden Atomkooperation und "schrittweise" Wiedervereinigung an / Über 100 Verletzte bei Protesten im Süden

Seoul (AFP/AP/taz) – Südkoreas Präsident Kim Jong Sam hat für die Umrüstung der nordkoreanischen Atomreaktoren wirtschaftliche und technologische Hilfen seines Landes in Aussicht gestellt. „Wenn der Norden seine atomaren Aktivitäten offenlegt, sind wir bereit, bei der Entwicklung der friedlichen Nutzung der Atomenergie zu helfen“, sagte Kim am Montag in einer Rede aus Anlaß des 49. Jahrestags des Endes der japanischen Kolonialherrschaft, bei dem traditionell die Wiedervereinigung des seit Ende des Zweiten Weltkrieges getrennten Korea beschworen wird. Das koreanische Volk könne nicht „auf immer getrennt leben“. Vielmehr müßten alle Energien „zusammengeschlossen“ werden, betonte Kim. Damit sei auch die Bereitstellung von Kapital und Technologie gemeint. Südkorea sei möglicherweise bereit, einen modernen Atomreaktor im Werte von einer Milliarde Dollar zu liefern – allerdings unter der Bedingung, daß der Norden beweise, daß er mit seinem Atomprogramm keinerlei kriegerische Ziele verfolge.

Die Zusammenarbeit bei der Nutzung der Kernenergie könnte nach den Worten Kims der erste Schritt für die Herausbildung einer „einzigen Gemeinschaft der Koreaner“ sein. Der südkoreanische Präsident, dessen Regierung immense Kosten auf sich zukommen sieht, wenn das nordkoreanische Regime schnell zusammenbrechen sollte, rief zu einer „schrittweisen Wiedervereinigung“ mit Nordkorea auf. Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea müßten das Wohlergehen aller koreanischen Bürger sicherstellen, anstatt sich in ideologischen Streitigkeiten zu verlieren. Nord- und Südkorea könnten nicht „über Nacht“ wiedervereint werden, weil sie seit langem in gegenseitiger Feindschaft und Mißtrauen lebten.

Während die Seouler Regierung gegenüber dem Regime im Norden relativ versöhnliche Töne anschlägt, ist ihre Haltung gegenüber jenen Kräften in Südkorea, die Sympathien für die nordkoreanischen Kommunisten äußern, unverändert hart: Bei blutigen Zusammenstößen zwischen linksgerichteten Studenten und Sicherheitskräften wurden unterdessen erneut 100 Personen verletzt. Nach übereinstimmenden Berichten von Polizei und Augenzeugen standen sich bei den seit Sonntag anhaltenden Unruhen auf dem Gelände der staatlichen Universität in Seoul 7.000 Polizisten und 10.000 Studenten gegenüber. Auch Pressefotografen wurden von den Studenten verprügelt. Kim betonte in seiner Rede, die Studentenunruhen sollten weiterhin mit energischen Maßnahmen bekämpft werden.

Am Sonntag hatten die Behörden an der Waffenstillstandslinie zwischen Nord- und Südkorea 250 Nordkoreaner abgewiesen, die an der Demonstration in Seoul teilnehmen wollten.

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