Der Rasta-Poet als Samurai

■ Friedliche Evolutionäre: „Revolutionary Dub Warriors“

Wir sitzen in den Kellergewölben eines Hamburger Clubs. Bei jeder Bewegung wippt das prall aufgeblasene LKW-Reifengummi ein wenig nach. Steve Swann gestikuliert wild drauf los. Der zottelige Bassist kommt wie alle Dub-Krieger aus der Hausbesetzerszene in Reading an der Peripherie Londons. Er ist 35 Jahre alt. Dub gedeiht langsam, man überstürzt nichts. Schon seit einigen Jahren kennen Revolutionary Dub Warriors (RDW) Adrian Sherwood, der mit seinem Londoner Label ON U Sound eine Art urbaner Version von Roots Reggae entwickelt, die durch Hall, Effektgeräte und andere Techniken Urbanität an die Stelle herkömmlicher Naturmetaphern setzt. Das Mischpult, an dem die Instrumente regelrecht geknetet werden, ist die entscheidende Instanz im Dub.

Bis zu ihrem von Sherwood produzierten Debut, das im Herbst erscheint, trieben sich RDW auf freien Festivals herum, jenen Treffen einer alternativen Szene, die vor gesellschaftlichen Rigiditäten aufs Land flieht. Dort bastelten sie an einem neuen Lebensentwurf zwischen traveln und squatten, chinesischen Heilmethoden und Rastafarianismus, der für sie weniger aus Dreadlocks und bunten Farben als aus einem bewußten Lebensstil besteht. Doch der lange Arm der englischen Polizei reicht bis in ihr ländliches Utopia. „Durch ein neues Gesetz kann man nun unser Equipment und das Hab und Gut des Publikums auf einem Festival ganz legal konfiszieren“, berichtet Steve, denn „die kapitalistische Gesellschaft fühlt sich durch unser gemeinschaftliches Lebensmodell in ihrem Selbstverständnis bedroht und knüppelt los“. Dabei gehe es RDW eher um eine spirituelle Revolution, um eine „Evolution der Seele, die natürlich in die Praxis umgesetzt politische Veränderungen von unten bewirkt.“ Selbst das Kriegerische des Bandnamens betont eher den Kampf um Integrität. „Die Dub Warriors zielen auf eine Stärkung der Gedanken ab und stehen für das asiatische Konzept des Kriegers, dem es sogar verboten ist, zu kämpfen“, betont der auf dem Reifen schaukelndde Krieger und mag bei genauer Betrachtung mit seinen aufgetürmten Dreadlocks auch als japanischer Samurai durchgehen.

Volker Marquardt

Mit Boom Shaka Lacka Soundsystem, Zion Train und Digi Dub, morgen, 19. 8., Markthalle, 21 Uhr