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Neonazi-Demos nicht gleich behandeln

■ Der frühere Senatsdirektor Klischies zu der verhinderten antifaschistischen Demonstration

taz: Am Samstag wollten Antifaschisten hier „Vor dem Steintor“ Demonstrieren gegen das furchtbare Heß-Gedenken der Neonazis. Die Polizei ist hart dagegen vorgegangen. Warum sagt der demokratische Staat nicht: eine faschistische Demonstration ist verboten, eine antifaschistische ist an derselben Stelle erlaubt?

Dr. Waldemar Klischies: Das Stadtamt muß die beiden Demonstrationen ungleich behandeln, weil eine Heß-Gedenk-Demonstration antidemokratischen Charakter hat und darauf abzielt, Zustände wie im Faschismus zu verherrlichen und möglichweise dahinzuführen. Wer die Meinungsfreiheit abschaffen will, kann sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen.

Das Verbot der Nazi-Demo ist damit begründet worden, es würde Gegendemonstrationen provozieren. Die antifaschistische Demonstration ist verboten worden mit der Begründung, sie könnte die Neonazis provozieren...

Wenn das Stadtamt die Antifa-Demo verboten hat, um - wie es meint - den Gleichheitsgrundsatz durchzusetzen, liegt es falsch.

Warum durfte man nicht nicht gegen Neofaschisten demonstrieren am Samstag?

Grundsätzlich darf man das. Ich halte das sogar für wünschenswert. In diesem Fall war die Demonstration durch das Stadtamt verboten worden.

Warum eigentlich?

Wenn die Antifa-Demo das Ziel hatte, „faschistische Propaganda zu unterbinden“, und das geht nach Lage der Dinge nur mit Gewalt, dann war das Verbot gerechtfertigt. Denn das ist Sache des Staates.

Diese Gewalt war am Samstag vormittag vor Ort aber offenkundig nicht mehr zu befürchten: die Neonazis waren garnicht gekommen.

Der Antrag war am Freitag vor der Demonstration vom Stadtamt am Schreibtisch zu entscheiden.

Aber der verfassungsschutz ...

Wenn der Verfassungsschutz aber Kenntnis davon hatte, daß die Neofaschisten überhaupt hier nicht aufmarschieren würden in Bremen, dann weiß ich in der Tat nicht, wie durch diese Demonstration eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eintreten konnte.

Wenn die Polizei vor Ort dann feststellt: Zwar war die Demonstration vom Schreibtisch aus am Tag zuvor verboten worden, aber die Neonazis kommen nicht, es gibt also keine Gefährdung - muß sie die Demonstration dann nicht dulden?

Wenn vor Ort die Sicherheit nicht gefährdet gewesen wäre, dann hätte ich keine Veranlassung gesehen, einzuschreiten, Aber ich war nicht dabei.

Der bayerische Innenminister hat gefordert, die anderen Länder sollten auch das Instrument der präventiven Haft einführen.

Jegliche Form der Vorbeugehaft halte ich für unzulässig. So etwas gibt es in Bremen nicht.

Bei den Straßenbahnunruhen 1968 haben Leute die ganze Nacht in Haft gesessen. Sie waren Senatsdirekltor im Innenressort und verantwortlich für die Polizei.

1968 galt noch ein anderes Polizeigesetz, das ist inzwischen liberalisiert worden. Präventivhaft haben wir nicht praktiziert.

Aber es haben Leute die Nacht im Polizeigewahrsam gesessen.

Die Begründung war, daß sie konkret eine Gefährdung darstellen würden. Das wurde uns erzählt. Im Nachhinein hat sich das alles als viel harmloser herausgestellt.

Wie das?

Da hat man uns erzählt, die wollten die Straßenbahn-Leitungen demolieren, zum Beispiel.

Die Polizei hat dem Innensenator das erzählt?

Ja. Das waren alles Enten. Alles dummes Zeug.

Int.: K.W. / F.: Oberheide

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