Stoltenberg will hoch hinaus

UNO-Vermittler für Ex-Jugoslawien äußert sich erstmals positiv zur Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien / Ambitionen auf Generalsekretärsposten bei Nato oder UNO  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der UNO-Vermittler für das ehemalige Jugoslawien, Thorvald Stoltenberg, hat jetzt seine bisherige Skepsis aufgegeben und sich erstmals positiv über eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung geäußert. Die Clinton-Administration will nämlich einen entsprechenden Antrag im Weltsicherheitsrat einbringen, falls die bosnischen Serben den internationalen Friedensplan für Bosnien nicht bis zum 15. Oktober annehmen.

Stoltenberg unterstützte zugleich die bislang öffentlich nur von Rußland vertretene Einschätzung, die Wirtschaftssanktionen Serbiens gegen die bosnischen Serben seien umfassend und effektiv, eine Verschärfung der UNO-Wirtschaftssanktionen gegen Belgrad wäre daher derzeit nicht angebracht.

Beobachter bewerteten diese nach allen Seiten offenen Äußerungen auch als Versuch des norwegischen Karrierediplomaten, seine Aussichten zu verbessern, die Nachfolge des verstorbenen Nato-Generalsekretärs Manfred Wörnen anzutreten. Unter den sicherheits- und außenpolitischen Beratern von US-Präsident Bill Clinton gibt es erhebliche Bedenken gegen diejenigen unter den bislang genannten potentiellen Wörner-Nachfolgern, die in der Vergangenheit als „serbenfreundlich“ auftraten und eine Aufhebung des Waffenembargos abgelehnt hatten. Außerdem werden Stoltenberg Ambitionen auf die Ende 1996 möglicherweise anstehende Nachfolge für UNO-Generalsekretär Butros Ghali nachgesagt, wenn dessen erste Amtsperiode ausläuft.

Nach der Unterrichtung des Sicherheitsrates über seine jüngsten Gespräche in Belgrad und Pale mit Serbiens Präsident Slobodan Milošević und dem Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić erklärte Stoltenberg am Dienstag abend am UNO-Hauptquartier in New York vor Journalisten, eine Aufhebung des Waffenembargos könne „hilfreich sein“, wenn es „durch einen Beschluß des Sicherheitsrates erfolgt“. Gegen die in Washington (für den Fall eines Scheiterns des US-amerikanischen Antrages im Sicherheitsrat) erwogene einseitige Aufhebung des Waffenembargos spreche, daß dann andere Mitgliedsländer des Sicherheitsrates (gemeint ist vor allem Rußland) das Embargo gegen die serbische Seite aufheben würden.

Thorvald Stoltenberg räumte ein, es sei ihm erneut nicht gelungen, von Milošević die Zustimmung zur Überwachung der rund 500 Kilometer langen Grenze zwischen Serbien-Montenegro und Bosnien durch UNO-Inspektoren zu erhalten. Unprofor-Offiziere, die Stoltenberg bei seiner Reise nach Belgrad und Pale begleiteten, hätten bei – vorab angekündigten – Besuchen von sieben der 120 Grenzübergänge jedoch keinen grenzüberschreitenden Verkehr festgestellt. Daher habe er „keinen Anlaß, zu bezweifeln“, daß die bisherigen Blockademaßnahmen Serbiens gegen die bosnischen Serben „effektiv“ seien, betonte der UNO-Vermittler. Die von den Außenministern der Bosnien-Kontaktgruppe am 30. Juli in Genf angekündigte Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien, deren formaler Beschluß durch den Sicherheitsrat vor allem wegen Bedenken Rußlands zunächst auf Anfang September verschoben wurde, sei deshalb nicht angebracht.

Anders als noch in einem Gespräch mit der taz fünf Tage vor dem Tod Wörners schloß Stoltenberg am Dienstag eine Bewerbung um den Posten des Nato-Generalsekretärs nicht mehr aus. Auf entsprechende Fragen spielte er zunächst den Erstaunten („Steht diese Frage hier an? Ich habe meinen Namen in diesem Zusammenhang nur in einigen serbischen Zeitungen gelesen.“) und erklärte dann, er sei „nicht bereit, über die Zukunft zu sprechen“. Im übrigen habe er entscheidend dazu beigetragen, daß Wörner, dessen Gegenkandidat Stoltenberg 1988 zunächst war, damals zum Generalsekretär der Nato gewählt wurde.