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Die Fallstricke einer Hilfsaktion

■ Menschliche Not mobilisiert Hilfsbereitschaft. Das ist gut so. Die Organisation Care hat sich mit der Entsendung von 6.000 freiwilligen HelferInnen nach den ruandischen Flüchtlingslagern in Zaire in ...

Menschliche Not mobilisiert Hilfsbereitschaft. Das ist gut so. Die Organisation Care hat sich mit der Entsendung von

6.000 freiwilligen HelferInnen nach den ruandischen Flüchtlingslagern in Zaire in die Schlagzeilen gebracht. Aber die Kritik an der Care-Aktion wächst – bei der Konkurrenz.

Die Fallstricke einer Hilfsaktion

267 deutsche Ärzte, Medizinstudenten, Krankenschwestern und Pfleger sowie einige Techniker arbeiten seit Dienstag abend im derzeit größten Flüchtlingslager der Welt. Die HelferInnen haben sich bereit erklärt, unentgeltlich 14 Tage lang ruandische Bürgerkriegsflüchtlinge in dem zairischen Grenzort Goma medizinisch zu versorgen. Sie folgten einem Aufruf der Hilfsorganisation Care. Diese hatte an Mediziner appelliert, ihren Urlaub zu opfern und statt an sonnige Strände in das schwüle Zaire zu fliegen. Über 6.000 Freiwillige haben sich bis jetzt in der Bonner Geschäftsstelle der Organisation gemeldet.

Die erste Gruppe war am Sonntag mit einem von der russischen Fluggesellschaft Aeroflot gecharterten Flugzeug des Typs Iljuschin-86 vom Flughafen Köln- Bonn gestartet. Die Kosten für den Flug (380.000 Mark) übernimmt das Auswärtige Amt. Insgesamt steuert das Außenministerium zwei Millionen Mark zu der Mission bei. Damit wird neben vier Charterflugzeugen noch eine komplette Zeltstadt für die Helfer vor Ort finanziert. In der Care-Geschäftsstelle schätzt man die benötigten Gesamtkosten allerdings auf sieben bis acht Millionen Mark. Der Großteil der Gelder soll durch Spenden aufgebracht werden. Bisher sind auf den Care-Konten rund 1,5 Millionen Mark eingegangen.

Die notgedrungene Sparsamkeit machte sich für die Helfer schon auf dem Hinflug unangenehm bemerkbar. Bei einem Tankstop in Kairo fiel den Piloten auf, daß ein Radar ausgefallen war. Als der Care-Projektleiter Karl Hans Metzner die Maschine trotz defekter Elektronik weiterfliegen lassen wollte, kam es zum ersten Eklat, weil sich einige Passagiere weigerten, an Bord zu gehen. Nach einem mehr als dreißigstündigen Zwangsaufenthalt in der ägyptischen Hauptstadt traf dann am Dienstag ein Ersatzteil ein, und die Reise konnte weitergehen. Am Dienstag abend bezogen die HelferInnen in einer Schule in Goma ihr Quartier, wo sie bis Ende nächster Woche arbeiten sollen. Ihre NachfolgerInnen, die in der zweiten Gruppe kommen, werden dann möglicherweise gar nicht nach Goma reisen, sondern in das 150 Kilometer südlich gelegene Bukavu, wo inzwischen 300.000 Flüchtlinge leben. Das UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) hat Care um den Ortswechsel gebeten.

Vor dem Weiterflug ab Kairo hatte es unter den HelferInnen bereits ein zweites Mal gekracht, als die MedizinerInnen erfuhren, daß die für sie bestellte Zeltstadt in Goma noch gar nicht aufgestellt war. Einzelne Ärzte wetterten über die „bodenlose Schlamperei“ der Organisatoren und drohten mit Heimreise. Als die Iljuschin schließlich abhob, waren aber alle Passagiere an Bord.

Für Kritiker der Aktion zeigen diese ersten Konflikte die mangelnde Sorgfalt, die Care bei der Auswahl der HelferInnen walten ließ. Rupert Neudeck vom Komitee Cap Anamur empfindet es als „hanebüchen“, daß zu den NothelferInnen zahlreiche MedizinstudentInnen und andere Personen ohne professionelle Erfahrungen in Krisensituationen gehören. Care-Sprecherin Lilo Schön räumt ein, daß unter den 6.000 Freiwilligen nur rund 2.000 ausgebildete Ärzte sind. Alle BewerberInnen müßten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie über ihren bisherigen Werdegang Auskunft geben. Freilich wurde dabei nicht gefragt, ob die Betreffenden über Französischkenntnisse verfügen – eine Grundvoraussetzung, um sich zumindest mit einigen der PatientInnen zu verständigen.

Neudeck hat nicht nur daran etwas auszusetzen. Für den selbst in Sachen Öffentlichkeitswirksamkeit nicht zögerlichen Nothelfer und Journalisten ist die Care-Aktion eine „reine Hilfeshow“. Zwar zweifle er nicht am guten Willen der beteiligten ÄrztInnen und HelferInnen, den Bedürftigen würde die Aktion jedoch nicht helfen. Care wirft er vor, daß sie anderen Organisationen „die Bedingungen für Einsätze versaut“. Besonders ärgert Neudeck, daß es der Konkurrenz gelungen ist, die Bundesregierung in die Aktion einzuspannen. Das Geld, daß jetzt für Care lockergemacht werde, fehle für andere Organisationen, moniert er.

Sein eigenes Komitee setze hingegen auf Klasse statt Masse. Derzeit hat Cap Anamur 15 MitarbeiterInnen vor Ort. „Wir versuchen wenige, aber professionelle Leute hinzuschicken“, erläutert Neudeck. Diese Personen sollten möglichst lange am Ort des Geschehens bleiben und dort einheimische MitarbeiterInnen rekrutieren, die Verhältnisse und Gepflogenheiten besser kennen. Zudem sei die von Care geplante Einsatzdauer von nur 14 Tagen pro Person viel zu kurz, „um etwas Vernünftiges zu machen“.

„Vierzehn Tage ist für viele die Schmerzgrenze“, hält Lilo Schön von Care dagegen. Die meisten Freiwilligen könnten ihren Arbeitsplatz daheim nicht länger brachliegen lassen, argumentiert sie. Zudem würden die zwei Wochen extrem intensiv genutzt. „Unsere Leute wissen, daß sie ankommen und anfangen zu arbeiten – 14 Tage, ohne Sonntag.“ Die in 50 Teams aufgeteilten HelferInnen sollten täglich insgesamt 10.000 Menschen behandeln, Wunden versorgen, Antibiotika geben, impfen. Lokale HelferInnen seien zwar sinnvoll, aber es handele sich dabei nicht immer um hochausgebildete MedizinerInnen.

Zweifel am Sinn der Care-Aktion haben jedoch auch andere Hilfsorganisationen. Bernd Schell, Einsatzleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) für Ruanda, enthält sich zwar direkter Kritik am Care-Projekt, betont aber, daß seine Organisation keine derartigen Unternehmungen plane. Mit solch kurzfristigen Einsätzen von HelferInnen habe das DRK schon an anderen Orten schlechte Erfahrungen gemacht. Einen „Hilfsimperialismus“ befürchtet gar Martin Kleeneg von Caritas angesichts der Mengen von HelferInnen, die Care nach Goma schicken will. „Wir haben Zweifel, ob ein solch massives interventionistisches Vorgehen sinnvoll ist“, meint er. Caritas hat sieben nichtafrikanische MitarbeiterInnen in und bei Ruanda im Einsatz. Die kooperieren mit 200 lokalen HelferInnen.

Lutz Worch vom Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) hat dagegen keine Schwierigkeiten mit der Care-Aktion. Das DZI beobachtet den karitativen Markt und verteilt sogenannte „Spendensiegel“ an als seriös erachtete Organisationen. Care hat ein solches Siegel und Worch keine Zweifel, daß die Organisation ihre Gelder vertrauenswürdig einsetzt. Thomas Dreger

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