: Fischers kleineres, Volmers größeres Übel
■ Grünen-Politiker für Rot-Grün / An der Ampel scheiden sich die Geister
Bonn (taz) – Das Rennen ist noch nicht gelaufen, eine Mehrheit für eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnisgrünen ein sehr wahrscheinliches Ergebnis – mit dieser Botschaft warb der grüne Spitzenpolitiker Joschka Fischer vor Bonner Journalisten für Wechsel-Optimismus. Der hessische Umweltminister wunderte sich, „daß hier in Bonn alle Welt davon ausgeht, daß wir keinen Regierungswechsel bekommen“. Die selbstverständliche Annahme, Kohl habe „die Sache bereits im Sack“, sei angesichts der zurückliegenden Europa- und Landtagswahlen überhaupt nicht gerechtfertigt. Deren Ergebnisse hießen für den 16. Oktober, daß wahrscheinlich fünf Fraktionen in den Bundestag einziehen, Kohl wäre mit seinem geschwächten Koalitionspartner allenfalls „relativer Wahlsieger ohne Mehrheit“. Die Verantwortung dafür, daß die bündnisgrüne Wunschoption Rot-Grün in den Umfragen anhaltend schlechte Konjunktur hat, sieht Fischer klar bei der SPD. Die Sozialdemokraten könnten sich offenbar nur schwer aus der „unerklärten großen Koalition“ lösen, die sie vor zwei Jahren eingegangen seien. „Wenn die Sozialdemokraten in der letzten Phase noch anziehen, könnte es für Rot-Grün noch klappen.“ Der grüne Minister („wünschen tu' ich mir selbstverständlich Rot-Grün“) stellt sich jedoch darauf ein, daß es anders kommen könnte. Wenn, wie nach Umfragen und Wahlergebnissen anzunehmen ist, das Wahlergebnis nur die Wahl zwischen großer Koalition und Ampel zuließe, hieße das für Fischer: „Die ungeliebte Ampel steht im Raum.“ Sollte „nach der unerklärten die erklärte große Koalition“ kommen, müsse man die Ampel-Option „in den Blickpunkt rücken“. Diese Konstellation, so Fischer, „wird auch bei der FDP die Frage zuspitzen“.
Bundessprecher Ludger Volmer betonte gegenüber der taz, daß er wie Fischer die Bundestagswahl für längst nicht entschieden hält. Es könne „aufgrund der Schwäche der SPD“ wohl so kommen, daß die Ampel zur „objektiv vorhandenen Möglichkeit“ wird. Volmer: „Dieser Frage müssen wir uns dann stellen.“ Käme es zur Konstellation große Koalition oder Ampel, sei jedenfalls jetzt seine persönliche Meinung, die Grünen sollten die Ampel „eher nicht eingehen“. Mit der FDP, die „auf harten Manchester-Kapitalismus geschrumpft“ sei, sei eine Regierung nicht möglich. Volmer: „Man muß immer sehen, was danach kommt.“ An einer Ampel, die nur „Notlösung“ sein könne, würden sich Union und PDS stärken, an einer großen Koalition die Grünen. Tissy Bruns
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