Gold in der Kehle, Rudi im Rücken

■ Altentagesstätten im Rudi-Rausch / Der Kandidat aus der Pfalz beim SPD-Wahlkampfstart im „Ochsen“ / Nur Wilhelmsburg tanzt aus der Reihe Von Uli Exner

Voll. Proppevoll. Da lassen sie sich nicht lumpen, die Hamburger Sozialdemokraten. Ihren Rudi hängen lassen? Scharping allein auf'm Dom? Mitten im Wahlkampf? Da könnte ja einer merken, daß man so ganz zufrieden nicht ist mit dem Engholm-Nachfolger, dem Lafontaine-Nachnachfolger, dem Rau-Nachnachnachfolger, dem Vogel-Nachnachnachnachfolger. Wo der sich doch nicht nur auf den Wechsel freuen, sondern ihn nun auch endlich, endlich vollziehen soll.

Also nichts wie hin, alles was laufen kann. Oder auch schon nicht mehr so richtig. In 16 Busse sind sie gestern mittag gestopft worden, die vollzähligen Besatzungen der Altentagesstätten aller Hamburger Ortsteile, der Altenheime und Begegnungsstätten. Ab ins Wirtshaus –Zum Ochsen–. Berliner mampfen. Mit und ohne Zuckerguß. Und Rudi anfeuern, vierzehnhundertfach.

Wie das klappt! Hier sitzen die wahren Sozis. Vor allem, bevor der Kandidat sich sehen läßt. „Wenn wir nicht in der SPD wären, würden wir keine Hamburger sein.“ Da sind sich die Damen aus der Altentagesstätte Barmbek völlig einig mit jenen aus der Altentagesstätte Alwin-Lippert-Weg / Wendloher Weg. Rudi soll: „für die Alten sorgen“, „dafür, daß es uns gut geht“, „daß die Mieten nicht mehr steigen“, „die Renten bleiben“, „sparen“. Auf geht's, Rudi.

Da ist er ja, höchstpünktlich, wie's sich gehört für einen ordentlichen Kandidaten. „Wir sind auf dem richtigen Dampfer, mit voller Kraft voraus, heute ist ein wunderschöner Tag und keiner geht nach Haus.“ Die –Jungs von de Lagerhus– legen sich mächtig ins Zeug. Gold in der Kehle, Rudi im Rücken.

Ein wenig steif wirkt er ja noch immer, der Kandidat. Und diese knittrigen Hosen. Sehen ja fast aus wie Jeans, nicht so ganz Schwiegermutter-like. Der Beifall könnte schon etwas kräftiger ausfallen. Aber, naja, das Alter, Sie wissen schon. Jetzt mal Ruhe, er sagt was.

Daß er „mit dem Hubschrauber aus Greetsiel nach Hamburg“ gekommen ist. Und daß der Herr Kohl unrecht hat, weil „Deutschland alles andere als ein Freizeitpark“ sei. Weil „uns über sechs Millionen Arbeitsplätze fehlen“. Daß die Jüngeren arbeiten können müssen, „wenn die Älteren leben sollen“. Und daß es ungerecht ist, daß er den gleichen Kinderfreibetrag bekommt wie seine Schwester, die doch viel weniger verdient. Daß die Ausländerfeindlichkeit bekämpft werden muß und daß im „öffentlichen Dienst nach Leistung und nicht länger nach Dienstjahren bezahlt“ werden soll. Und daß „meine letzte Bitte ist, daß wir wieder Hoffnung schöpfen.“ Kräftiger Schlußapplaus. „Doch, hat uns sehr gut gefallen. Vor allem die Rede.“ Die Altentagesstätte Barmbek ist zufrieden mit ihrem Kandidaten. Alle sind zufrieden?

„Nee, nicht ganz“ Veddel/Wilhelmsburg hat Widerworte. „60 Prozent Ausländer bei uns, das geht doch nicht.“ Und die „Zustände an der Universität“, also wirklich. „Die SPD ist in Hamburg schon so lange dran.“ Und dann, ganz leise: „Ich wähle CDU.“