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Jede Menge freie Wohnungen

■ Schanzenviertel: Der Laue-Komplex rottet vor sich hin / Behörden sind „irritiert“, schreiten aber nicht ein Von Kai von Appen

Über 5000 Obdachlose gibt es nach Schätzungen der Mietervereine in Hamburg. Trotzdem steht immer noch Wohnraum leer. So die Häuser Schanzenstraße 56-62 und Sternstraße 107-109 auf dem Gelände der früheren Essig- und Gewürzfabrik Laue im Schanzenviertel. Eigentümer: Die Anwälte Hans-Erich Dabelstein und Michael Backhuß.

Sie wurden von der Stadt als ehrenwerte Kaufleute hofiert, die Hamburg mit sozialem und finanziellem Engagement schnell bei der Bewältigung der Wohnungsmisere behilflich sein könnten. Deshalb unternahm der Senat auch nichts, als die Rechtsanwälte Dabelstein und Backhuß 1990 – gegen das Votum der für die Schanzenviertel-Sanierung zuständigen Stadterneu-erungsgesellschaft (Steg) – den 11.500 Quadratmeter großen Laue-Komplex mit 11 Häusern, 100 Wohnungen und diversen Gewerbegebäuden für 17 Millionen Mark kaufen wollten. Die Stadt verzichtete sogar ausdrücklich auf ihr Vorkaufsrecht. Dabelstein damals vollmundig: „Ein Spekulant bin ich nicht, will nur kostendeckend arbeiten und eben Altbauten retten.“

Obwohl die beiden Investoren versprachen, die Sanierung des Komplexes schnell in Angriff zu nehmen, ist seither wenig passiert. Lediglich einige Baupläne wurden erarbeitet, und Dabelstein kaufte 1991 noch einige Nachbar-grundstücke dazu.

Mittlerweile hat sich das Tauziehen um das Laue-Gelände allerdings zum wohnungspolitischen Skandal entwickelt. Während einerseits die MieterInnen vieler Häuser auf dringend notwendige Renovierungen warten, werden immer mehr Wohnungen entmietet, einige sind inzwischen unbewohnbar. 3500 Quadratmeter Wohnraum stehen in dem Komplex leer – mehrere Wohnungen in der Stern- und der Kampstraße, ganze Häuser in der Stern- und der Schanzenstraße. Das Areal rottet vor sich hin.

Obwohl vorsätzlicher Wohnraumleerstand „Zweckentfremdung“ ist und vom zuständigen Bezirksamt mit Bußgeld geahndet werden kann, versucht es die Behörde auf die sanfte Tour: „Es gab Verhandlungen über einen ,städtebaulichen Vertrag'“, so Peter Illies, Leiter der Stadtplanungsabteilung im Bezirksamt Mitte.

In diesem „Maßnahmengesetz“ wollte das Bezirksamt sowohl Neubau- als auch Instandsetzungsmaßnahmen festschreiben, ohne daß bereits das Gesamtkonzept erarbeitet und ein gültiger Bebauungsplan verabschiedet ist. Doch nun herrscht im Bezirksamt „Irritation“, denn die für Ende August anvisierte Vertragsunterzeichnung scheint zu platzen. Illies: „Backhuß kommt mit den Unterlagen nicht rüber.“

In der Stadtentwicklungsbehörde rätselt man derzeit über die Hintergründe für das Verhalten der beiden Investoren: „Liquiditätsprobleme können wohl kaum die Ursache sein“, vermutet ein Insider, „Dabelstein hat doch gerade auf der Fleetinsel 100 Millionen cash gemacht.“ Michael Backhuß macht hingegen die Stadt für die Verzögerung verantwortlich. Backhuß: „Es mußte erst ein Erneuerungskonzept verabschiedet werden, das hat zwei Jahre im Senat gelegen.“ Doch nunmehr könne es zügig vorangehen. Backhuß: „Die Planung liegt jetzt vor.“ Mit der Sanierung eines Teils der Gebäude könne bereits im Herbst begonnen werden.

Wenn das nicht der Fall ist, soll das Bezirksamt nach dem Willen vieler Anwohner endlich konsequent durchgreifen: „Bei Nichtanzeige von Wohnungsleerstand kann eine Strafe von mehreren 10.000 Mark verhängt werden“, heißt es in einem Flugblatt, das derzeit im Schanzenviertel kursiert. „Die zuständige Behörde kann anordnen, leerstehenden Wohnraum zu vermieten.“ Eine Schanzenviertel-Aktivistin geht noch weiter: „Notfalls muß man Dabelstein und Backhuß enteignen“.

Aber wer glaubt schon an Wunder.

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