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Lauter reizende kleine Dödel

Miss Piggy, Bert und Kermit: Im Potsdamer Filmmuseum tanzen die Muppets, Fraggles und Sesamers  ■ Von Anke Westphal

Ein Lied ging um die Welt, und es hatte eine simple Botschaft. „Schmeißt euch in Frack und Fummel/ macht auf der Bühne Licht/ jetzt tanzen alle Puppen/ bis der Schuppen wackelt und zusammenbricht!“ Kermit, der Frosch, Miss Piggy, Fozzy Bär und Rowlf, der Hund am Klavier – die ganze vorlaute Muppets-Bande machte via Fernsehen das Chaos zu ihrem Freund und die Zuschauer zu Kindern, die sich vor Lachen auf die Schenkel schlugen. Ende der fünfziger Jahre erfand der Puppenspieler Jim Henson die Muppets; 1969 schickte er die „Sesamstraße“, noch später die „Fraggles“ auf Weltreise. Diesen Sommer tanzten seine Puppen, lauter reizende kleine Dödel zwischen „Monster und Magie“, im Potsdamer Filmmuseum.

Besonders viel Platz haben sie da nicht. Die Ausstellung ist klein, aber mit allerlei Wissenswertem vollgestopft und dabei durchaus zum Kichern animierend. „Folge deinem Enthusiasmus“ und „Tu, woran du Spaß hast“ lauteten die Leitsprüche, mit denen Jim Henson vergnügt ins geschäftige Fünftagerennen ging. Am Anfang stehen „The Early Muppets“ zur Besichtigung. Dieselben gaben sich, schon ganz muppetslike, als „fremdartige, schwerverständliche Wesen, die sich gegenseitig seltsame Dinge antaten, so wie es ihnen gerade in den Sinn kam“, schrieb Leslee Ash, eine Mitarbeiterin Hensons. Vorläufer der frühen Muppets waren „Sam and Friends“, eine Show, die 1954 für das lokale Fernsehen produziert wurde, acht Jahre lief und einen „Emmy“ gewann. Schon 1957 schossen Prä-Muppets in Werbespots für Wilkins-Kaffee unwillige Kunden über den Haufen.

Muppetsähnliche Viecher gab es auch in Jim Hensons „Bremer Stadtmusikanten“. Der Pilotfilm für die eigentlichem Muppets jedoch trug den ebenso kühnen wie entzückenden Titel „Sex & Violence“. Er präsentierte die sieben grimmigen Todsünden, die ihre Namen auf den T-Shirts über ihren Bäuchen vor sich hertrugen. Von da an war es jedoch noch ein weiter Weg bis zum Kermit von heute und jenem netten Monster (wie hieß es bloß?), dessen Lieblingsbeschäftigung es ist, Leute zu erschrecken. Als Monster Namenlos ein hochdotiertes Quiz gewann, wählte es statt Villa, Traumreise, schickem Auto und jeder Menge Geld einen Keks.

Aber so ein Benehmen entsprach nun mal der Muppets-Typologie, die Hensons charakterfester Phantasie vorschwebte. Muppets lieben desweiteren Musik und fahren irre gern Fahrrad. Der Muppets-Look folgte den vorbildlich am Penetranten ausgerichteten Figuren. Aus dem hübschen kleinen Ausstellungskatalog (sparen Sie nicht an den 3 DM dafür) erfährt man nicht nur, daß der erste Kermit aus einem grünen Übergangsmantel von Jim Hensons Mutter gebastelt wurde, man lernt auch gleich die Leute hinter der Bühne kennen und lieben. Die Muppets waren immer so gut wie ihre Animateure, die die Puppen über Kopf spielen, dabei die Lippenbewegungen synchronisieren und sich selbst auf dem Monitor verfolgen mußten. Wer weiß schon, daß Miss Piggy einst nur ein durchschnittlich aussehendes Schwein im Hintergrund war, bevor sie Hensons Starpuppenspieler Frank Oz ins Rampenlicht rückte. Miss Piggy ist neben Kermit natürlich der Star der Show: ein blondes Gift mit unbeschreiblich blauen Augen, mit zartrosa Haut in glamouröser Garderobe (ich sage nur: Federboa!) und unstillbarem Hunger auf appetitliches Männerfleisch. Wie pflegt die Dame Piggy zu sagen: „Nur du kannst deine eigene Schönheit wirklich würdigen!“ Die Ausstellung erfreut denn auch mit einem wunderbaren Botticelli-Fake, das Miss Piggy als schaumgeborene Venus feiert.

Auf Monitoren kann man unanstrengenden kleinen Filmchen über die Entstehung und Animation der Henson-Geschöpfe folgen oder die „Sesamstraße“ auf schwedisch, spanisch („Plaza Sasamo“) oder französisch („1, Rue Sesame“) genießen. Man darf zwar nicht fotografieren, aber immerhin anfassen: eine erstklassige Kollektion Glubschaugen von Knopf- über Tennisball- bis Lampenschirmgröße, buschige Augenbrauen, entspannt baumelnde Ärmchen und Beinchen. Währenddessen parlieren Ernie und Bert wie ein altes Ehepaar im Bett, Grobi glotzt aus der Mülltonne, und Kermit thront auf seinem Regiestuhl. Wer will, drückt den dicken Knopf, der die Fraggles ins Bergwerk einfahren läßt. Sie sind alle da, Graf Zahl, Oscar Griesgram, Krümelmonster, Grobi, Floyd, die Muppet-Babies und der dänische Koch, und man spürt, daß man sie vermißt hat.

Eine Extra-Abteilung ist Jim Hensons abendfüllenden Muppet- Movies und Fantasy-Filmen gewidmet. Die letzteren, „The Dark Crystal“ und „Labyrinth“, schwangen sich zu saurierähnlichen Finsterlingen, etwa den Fireys, auf, die selbst die Biester aus „Jurassic Park“ in den Schatten stellen. In „Labyrinth“ von 1985 spielte David Bowie einen Prinzenähnlichen; leider erfährt man aus den Tafeln nichts Näheres über die beiden Fantasy-Filme, etwa ob sie in den Kinos erfolgreich waren.

Das mindert das Vergnügen an der kleinen Ausstellung nur wenig. Man erfährt andere hübsch beeindruckende Sachen, zum Beispiel, daß nicht weniger als 18 Motoren erforderlich waren, um nur die Gesichtszüge von Hoggle aus „Labyrinth“ zu bewegen. Da hat man es als Mensch doch ein bißchen leichter. Auch wenn Ihnen das deutsche Fernsehen die Muppets und „Sesamstraße“ vorenthält – „Die Dinos“, auch eine Henson-Produktion, trösten.

„Die Welt von Jim Henson“ ist bis zum 28. August im Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1, zu sehen. Dienstag bis Freitag, 10 bis 17 Uhr, Eintritt 6 bzw. 3 DM.

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