Im Sande verlaufen

■ Pünktlich zur PopKomm in Köln steht die Berliner Konkurrenz BID vor dem Aus

Sechs Jahre wurde sie alt, nun hängt sie nicht einmal mehr am Tropf. Definitiv werden die Berlin Independence Days (BID) in diesem Jahr nicht wie üblich Ende Oktober stattfinden. Die Möglichkeit, daß sich die Musikmesse auf einen günstigeren Termin im kommenden Frühjahr retten kann, ist verschwindend klein. Selbst Johannes Theurer, im letzten Jahr Mitorganisator und seit Mai Musikchef beim neuen „Radio MultiKulti“ des SFB, hat kaum noch Hoffnung: „Das Konzept liegt zwar offiziell nur auf Eis, und wenn sich plötzlich jemand finden sollte, der die BID finanzieren will, dann kann sie vielleicht stattfinden. Aber subjektiv würde ich sagen, daß das nicht passieren wird.“

Der Grund für das überraschende Ableben der – nach der PopKomm in Köln – zweitgrößten Messe und Konferenz für unabhängig produzierte Musik in Deutschland ist natürlich das liebe Geld. Den entscheidenden Schlag versetzte der Berliner Senat der eh schon löchrigen Kasse, indem er die finanzielle Unterstützung auf Null zusammenstrich.

Zuerst mußten sich die Veranstalter von den sowieso schon dürftigen 50.000 Mark verabschieden, die die Senatsverwaltung für Kultur noch im letzten Jahr zugeschossen hatte (früher einmal war es dreimal soviel gewesen), dann kassierte der Wirtschaftssenator auch noch den gesamten Topf „Förderung von Konferenzen und Kongressen“. Daß damit nicht nur Zahnärzte ihre Tagungen nun völlig aus der eigenen Tasche finanzieren müssen, sondern auch der BID plötzlich 150.000 Mark fehlen, fiel wahrscheinlich nicht weiter ins Gewicht.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem BID-Konzept fand im Wirtschaftssenat sicherlich nicht statt, denn der gestrichene Topf diente als „indirekte Tourismus-Förderung“ und war somit innerhalb der allgemeinen Haushaltskrise leicht verzichtbar. Für Frank Ebel, persönlicher Referent des Wirtschaftssenators, „bleibt Berlin auch ohne Zuwendungen als Kongreßstadt attraktiv“. Womit er recht haben kann, das Ende der BID aber vorprogrammiert ist. Schon in den letzten Jahren schloß die BID trotz der Zuschüsse zwar nicht offiziell mit roten Zahlen ab, aber die Organisatoren zahlten sich selbst teilweise die veranschlagten Löhne erst gar nicht aus. Gerüchteweise hat sich der eine oder andere auch persönlich in mißliche finanzielle Situationen gebracht. Etwas säuerlich ist zumindest Johannes Theurer über das mangelnde Engagement staatlicher Stellen: „Die PopKomm hat durch die massive Subventionierung, die sie in Köln bekommt, Preise etabliert, mit denen wir nicht konkurrieren können. Auch weltweit ist es nirgendwo so billig.“

Nur ungefähr 120 Mark kostet Messebesucher in Köln das Vergnügen, an den Ständen der Plattenfirmen vorbeizuschlendern, die Konzerte zu besuchen und an den Konferenzen und Seminaren teilzunehmen. Die BID war zwar fast doppelt so teuer, aber im internationalen Vergleich trotzdem billig. Beide Messen zu besuchen, konnte sich ein Großteil der kleinen Independent-Labels nicht leisten. Und die meisten der auf dem deutschen Markt aktiven Firmen entschieden sich für die PopKomm, auch weil der Termin der Berliner Konkurrenz ungünstigerweise nur wenig später lag.

Für Theurer ist das Konzept der BID trotzdem nicht gescheitert: „Im Gegenteil, es gibt Bedarf für diese Veranstaltung.“ Seiner Meinung nach hat sich die BID zwar nicht im sogenannten Alternative Rock und ähnlichen klassischen Independent-Bereichen gut entwickelt, aber als Vermittler zwischen den Märkten in Ost und West ihren Dienst getan. Vor allem im New-Age- und World-Music-Bereich habe man gut zugelegt und sei zumindest dort wichtiger als die PopKomm, die für Theurer sowieso eine wenig internationale Angelegenheit ist: „Wenn du dort aufs Klo mußt, fragst du auf deutsch. Und bei uns auf englisch.“

Anders sieht das die Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten. „Es ist natürlich schade, daß es jetzt so im Sande verläuft. Aber daran sieht man wohl auch, daß das Bedürfnis hier doch nicht so groß ist“, meint Uwe Sandhop, Sachbearbeiter Rock/Pop beim Referat für freie Gruppen. „Natürlich hat es immer Kritik gegeben, und andere waren begeistert. Ich glaube schon, daß die BID Sinn machte, man hätte nur das Konzept energischer weiterentwickeln müssen. Man hat den Veränderungen des Marktes wohl nie so richtig Rechnung getragen.“

Eine Konsequenz daraus, daß es „immer mehr Messen und immer spezielleren Fachbezug“ (Theurer) gibt, haben die Organisatoren bereits gezogen. Fast zum klassischen Termin der BID, vom 13. bis 15. Oktober, wird im Haus der Kulturen der Welt im Berliner Tiergarten die „World Wide Music Expo“ stattfinden.

Schon bevor das Scheitern der BID klar wurde, war es beschlossene Sache, die in den letzten drei Jahren in deren Rahmen durchgeführten „World Wide Music Days“ auszulagern. Allein aufgrund dessen wäre die BID 1994 wohl nicht mehr das geworden, was noch das Grußwort zur 92er Auflage stolz verkündete. Peter Radszuhn sah die BID damals als „schlicht eine der vier, fünf großen Musikmessen dieser Welt“. Thomas Winkler