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Mandela bittet um Zeit für Regierung

In seiner Rede zu den ersten 100 Tagen als Präsident versuchte Südafrikas Staatsoberhaupt vor allem, über Unzulänglichkeiten hinwegzutäuschen / Bürokratie-Reform unumgänglich  ■ Aus Kapstadt Willi Germund

Mit energischen Worten versuchte Südafrikas Präsident Nelson Mandela gestern vor dem Parlament davon abzulenken, daß seine Regierung nach 100 Tagen immer noch um den Staatsapparat kämpfen muß. Doch mehr, als daß die Grundlagen für den Beginn einer neuen Politik gelegt worden sind, konnte der Präsident nicht sagen. Jai Naidoo, für das „Wiederaufbau-und Entwicklungsprogramm“ verantwortlicher Minister, faßte zusammen: „Wir haben begonnen, den Ausgaben eine andere Richtung zu geben. Aber der Prozeß, das Schiff völlig auf den neuen Kurs zu bringen, wird fünf Jahre dauern.“ Seine Kommission habe festgestellt, daß eine „institutionelle Reform“ unvermeidlich sei. Der dazu notwendige Umbau des 1,2 Millionen Beamte umfassenden öffentlichen Dienstes werde Jahre dauern.

So seien Einsparungen bei einer Personalfluktuation von rund acht Prozent jährlich erst ab 1995 möglich. Selbst dann sollen nicht alle freiwerdenden Stellen neu besetzt werden, denn die Mandela-Regierung sieht eine Ausweitung des Beamtenapparats vor. So können eigene Leute in Schlüsselstellungen geholt und gleichzeitig den bisherigen Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie gegeben werden. Unternehmerkreise am Kap hatten gehofft, Mandela werde endlich den Rahmen der zukünftigen Regierungspolitik genauer abstecken. Statt dessen mußten sie sich erneut mit allgemeinen Bemerkungen zufriedengeben. „Drei Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr sind kein unerfüllbarer Traum mehr“, so das neue Staatsoberhaupt ganz optimistisch. Aber Mandela hielt auch deutliche Worte für Südafrikas Privatunternehmer bereit: „Es reicht nicht, wenn das Unternehmertum nur daran denkt, wie die eigenen Interessen gewahrt werden. Sie sollten bei ihren Aktivitäten auch an sozio-ökonomische Programme denken, die Verbesserungen für Benachteiligte bringen.“ Auch die Gewerkschaften bekamen ihr Fett weg: „Die neue Situation verpflichtet uns alle, die breiteren Fragen wie Investitionen, Investorenvertrauen und Vorrausetzungen für wirtschaftliches Wachstum in Betracht zu ziehen.“ Zudem kündigte Mandela die Bereitstellung von rund 50 Millionen Mark für Programme in den neun Provinzen Südafrikas an.

Am 1. September soll zudem eines der Lieblingsprojekte des Präsidenten starten: An jeweils 50 Schulen in den neun Provinzen werden Kinder in den Anfangsschuljahren umsonst verköstigt. Die Kosten werden so hoch ausfallen, daß sie noch geheimgehalten werden. Es gilt als wahrscheinlich, daß das Projekt später kaum wieder gestrichen werden kann, weil dann die betroffenen Eltern protestieren würden. Um die Ernährungslage zu verbessern, müßte es solche Programme eigentlich schon für Kinder im Alter von zwei Jahren geben. Trotzdem ist die Regierung fest entschlossen, das Programm zu starten – als „Beitrag zur Verbesserung der Lernkultur“, wie es offiziell heißt.

Das Schulspeisungsprogramm soll zudem darüber hinwegtäuschen, daß im Erziehungswesen – im Wahlkampf ein Schwerpunkt des ANC – bisher nichts geschehen ist. Nicht einmal die bisher neun nach Hautfarbe getrennten Abteilungen wurden wie versprochen zusammengelegt. Mal erkrankte der zuständige Minister, mal waren die zuständigen Beamten besonders starrsinnig.

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