: Die „schwarzen Herden“ von Berlin
■ Neun Polizisten wurde Amtsausübung verboten, weil sie drei Skinheads und einen Zigarettenhändler mißhandelt haben sollen / Ihr 20köpfiger „Zug“ wurde aufgelöst
Berlin (dpa/taz) – Neun Berliner Polizisten sind festgenommen worden, weil sie drei Skinheads und einen rumänischen Zigarettenhändler mißhandelt haben sollen. Bei einer Durchsuchung ihrer Privat- und Diensträume wurden Schlagwerkzeuge und speziell verstärkte Handschuhe entdeckt, mit denen Menschen erheblich verletzt werden können, sagte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern. Die neun Beamten wurden nach ihrer Festnahme vom Mittwoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihnen ist bis auf weiteres die Amtsausübung verboten. Ihr „Zug“, eine 20köpfige Einheit, wurde aufgelöst.
Bei ihren Taten sollen die Beamten die Opfer auf offener Straße und in einem Mannschaftswagen geschlagen und getreten haben. Die vier namentlich bekannten Opfer wurde dabei leicht verletzt. Bei der Durchsuchung von Privat- und Diensträumen der Beschuldigten wurden auch mehrere Stangen geschmuggelter Zigaretten entdeckt. Die Polizisten hätten diese möglicherweise beschlagnahmt und unterschlagen.
Ein Zusammenhang mit der Mißhandlung von Vietnamesen durch Polizeibeamte sei derzeit nicht zu erkennen, sagte der Polizeipräsident und widersprach damit anderslautenden Angaben aus Sicherheitskreisen vom Vortag. Auch gebe es derzeit keine Hinweise auf ein „gezieltes ausländerfeindliches Verhalten“. Der ermittelnde Staatsanwalt Carlo Weber, der für rechtsextremistische Straftaten zuständig ist, sagte hingegen: „Es ist in der Tat eine Zweifelsfrage.“
In Berlin laufen zur Zeit 27 Verfahren wegen des Verdachts auf Mißhandlung vietnamesischer Zigarettenhändler durch Polizisten. Schon vor zwei Jahren waren Polizeikollegen in Ostberlin aufgefallen. Gegen 13 Beamte wurde damals ermittelt, weil sie illegale Händler nach Schmiergeldzahlungen laufenließen.
Sogar amnesty international beklagte schon die häufigen Übergriffe der Polizei gerade in Berlin. Auch Reinhard Borchers von der „Arbeitsgemeinschaft kritischer PolizistInnen“ sprach nicht mehr „von schwarzen Schafen, sondern schwarzen Herden in Berlin“. Um die Übergriffe zu verhindern, müßten die Dienstgruppen nach Beschwerden aufgelöst und neu besetzt werden. Es sei schwer, gegen die festen Gemeinschaften vorzugehen. Gängige Praxis sei, daß Polizisten, die sich über Prügeleien beschweren, versetzt werden. Die Rädelsführer bleiben.
Eine Lösung dieser Klüngeleien könnte ein schwedisches Modell sein. Dort gibt es neutrale Ombudsmänner, die Beschwerden von Polizisten und Bürgern anonym überprüfen. shc
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