: Lieber Krebs als Schuppen
■ Wen die weißen Krümelchen plagen, dem werden Teershampoos empfohlen / Sie gelten als besonders wirksam / Allerdings sind sie voll mit krebserregenden Stoffen
Schuppen sind peinlich. Besonders wenn sie auf den geliehenen Smoking oder das kleine Schwarze rieseln. Darum gibt es spezielle Shampoos gegen die weißen Flusen. In vielen Produkten spielt Steinkohlenteer die Hauptrolle. Denn er kann Entzündungen hemmen und gilt darum als sehr wirksames Mittel. Als das Harburger Institut Innolab im Auftrag von Öko- Test verschiedene Teershampoos (Berniter, Fongitar, Polytar, Preval, Resdan, Tarmed und T/Gel) untersuchte, entpuppten sich die meisten Flaschen als hochgradig mit PAK belastet. Das Labor stellte Werte bis zu 3280 Milligramm pro Kilo (mg/kg) fest.
Viele dieser Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) lösen Krebs aus. Allein von dem besonders gefährlichen krebserregenden Benzo(a)pyren waren bis zu 56 Milligramm nachweisbar. Als harmlos erwiesen sich lediglich Produkte mit Holzteer. Solche Shampoos werden auch in Bioläden verkauft. Die gefährlichen Eigenschaften der Teerprodukte sind bekannt: „Bei unkontrollierter, regelmäßiger und langjähriger Anwendung muß mit Karzinogenese gerechnet werden“, gutachtete die Kommission B 7, die im Auftrag des Bundesgesundheitsamtes Arzneimittel mit Steinkohlenteer bewertete. Sie kam Ende 1992 zum Schluß, daß solche Medikamente „nur nach strengster Abwägung, unter ärztlicher Kontrolle und möglichst kurzfristig anzuwenden“ seien.
Schwangere Frauen und stillende Mütter dürften sie überhaupt nicht an ihre Haut lassen. Die meisten Teershampoos sind jedoch keine Medikamente, sondern Kosmetika. Für sie gelten die Kommissionsempfehlungen absurderweise nicht. Von „ärztlicher Kontrolle“ kann bei ihnen also keine Rede sein. Jeder kann die Schuppenkuren kaufen, sie tragen noch nicht einmal Warnhinweise für Schwangere.
Erbgut verändern beim Haarewaschen
Schon 1990 ermittelte die Chemische Landesuntersuchungsanstalt Freiburg bis zu 50 mg Benzo(a)pyren in Teershampoos. In ihrem neuesten Jahresbericht 1993 halten die Freiburger noch einmal fest, daß für den Stoff „eine krebserzeugende und erbgutverändernde Wirkung auch bei äußerlicher Anwendung als erwiesen gilt“.
Selbst das nicht immer kritische, inzwischen aufgelöste Bundesgesundheitsamt (BGA) wollte die Giftladungen aus den Läden haben. Auf seinen Rat stellte das Bonner Gesundheitsministerium schon vor zwei Jahren bei der Europäischen Union den Antrag, Teer in Kosmetika zu verbieten. Doch getan hat sich in Brüssel seither nicht viel. Auch die Hersteller haben die Aktivitäten der Überwachungsbehörden bisher kalt gelassen. Anstatt wenigstens mit Warnhinweisen zu vorsichtiger und kurzzeitiger Verwendung aufzurufen, verharmlosen die Verpackungstexte und Beipackzettel die Gefahr.
Preval – mit 1.580 Milligramm PAK pro Kilo – verhindert danach Schuppenbildung „bei regelmäßiger Anwendung“. T/Gel, bei Benzo(a)pyren mit sagenhaften 56 Milligramm an der Spitze, soll sogar „ausgezeichnet verträglich“ sein, so daß „auch tägliches Waschen problemlos durchgeführt werden kann“. „Öko-Test“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen